Motorradreise von Patagonien nach Alaska, Cabanas 57, Villa Carlos Paz, Reparatur Nummerhalter

Die ersten Challenges

Für einmal ist nicht etwas am Motorrad kaputt, dass unbedingt repariert werden muss, sondern mein PC läuft nicht mehr. Und weil er ein wichtiges Puzzle in meiner Ausrüstung ist, muss ich eine Lösung finden, damit er wieder Strom bekommt

 

Nun ist die Frage, liegt es am Netzteilgerät oder am PC-Anschluss.

 

Glück im Unglück ist die Ortschaft Villa Carlos Paz gross und es findet sich schnell ein Computerfachgeschäft, dass nicht einmal weit von meiner Unterkunft entfernt liegt und heute erst noch bis 20.00 Uhr geöffnet hat. Also Füsse rein in die Schuhe und los gehts.

 

Im Geschäft werde ich freundlich begrüsst und die drei Mitarbeitenden schauen interessiert mein Surface an. Ich merke gleich, dass sie diese Art von PC nicht kennen.

 

Trotzdem schildere ich ihnen mein Problem und einer der Mitarbeiter holt sogleich ein Messgerät und fängt an die Anschlüsse auszumessen.

 

Bald ich klar, dass es am Netzteil liegt, zum Glück.

 

Wobei das mit dem Glück bald wieder verflogen ist. Es stellt sich nämlich heraus, dass weder sie noch ein ihnen bekanntes anderes Computergeschäft Surface Computer im Angebot haben und dementsprechend auch keine Netzteile erhältlich sind.

 

In der Grossstadt Cordoba, die eine Stunde entfernt liegt, kennen sie ebenfalls kein Fachgeschäft für Microsoft Hardware.

 

Ausgerechnet Microsoft ist anscheinend in Argentinien schwach vertreten, im Gegensatz zu vielen anderen bekannten PC-Hersteller.

 

Und wie üblich bei solchen Problemen, hat das Surface eine einzigartige Stromsteckverbindung, wodurch keine Netzteile von anderen Computeranbietern passen.

 

Schöner Mist!

 

Wieder in meiner Unterkunft fange ich an zu recherchieren und finde Online ein passendes Netzteil. Das kostet aber das dreifache, des sonst schon teuren Stromspenders. Dafür könnte ich schon fast einen neuen, einfach ausgestatteten PC kaufen.

 

Die Lieferfristen sind zudem mit 2 - 3 Wochen lang.

 

Das gilt auch für das Angebot auf Amazon Argentinien, das zwar einiges billiger ist, dafür keine Lieferzeit angibt, weil es nicht an Lager ist.

 

Ich durchstöbere als nächstes die Microsoft Webseite und finde tatsächlich eine Anleitung, was ich alles unternehmen kann, wenn das Netzteil das Surface nicht auflädt.

Diese Schritte ersparen ich mir, da ich weiss, dass das Netzteil kaputt ist.

 

Dafür finde ich in der Anleitung die Information, dass das Surface, sofern es einen USB C Anschluss hat, auch über diesen aufgeladen werden kann.

 

Das liest sich gut, hat doch meines eine C Anschluss. Das erweitert die Suche nach einem geeigneten Netzteil gewaltig, denke ich jedenfalls.

 

Am nächsten Morgen marschiere ich frohen Mutes in die City und klappere alle Computergeschäfte ab, die mir Google ausgespuckt hat.

 

Nach vier Stunden liegt noch immer kein Netzteil in meinem Rucksack, weil alle nur Stromadapter mit USB C Anschluss für Telefone verkaufen. Die haben alle zu wenig Pfupf für mein Surface.

 

Mein letzter Hoffnungsschimmer ist das Geschäft von gestern, welches ich kurz darauf betrete.

 

Wie gestern werde ich freundlich empfangen und nachdem ich ihnen schilderte, dass ich meinen PC auch über USB C laden kann, entschuldigen sie sich, dass sie das gestern nicht selbst geprüft haben.

 

Keine zwei Minuten später packt der Mitarbeitende ein Netzteil mit USB C Anschluss aus, schliesst es an die Strombuchse an und danach über den C Anschluss am Surface. Schwupps, das Surface erwacht zum Leben und das Aufladesymbol erscheint unten rechts im Bildschirm.

 

Überglücklich bedanke ich mich beim Mitarbeitenden und frage, was es kostet.

 

Er nennt mir den Preis, umgerechnet CHF 15.00, was gleich nochmals ein freudiges Lächeln bei mir hervorruft.

 

Jetzt brauche ich nur noch einen Adapter für den argentinischen Stecker, der in den anliegenden Ländern nicht funktioniert. Auch hierzu hat der Mitarbeitende eine Lösung und schickt mich zwei Läden weiter, wo ich in einem Haushaltsgeschäft einen Adapter für umgerechnet CHF 1.00 erhalte.

 

Erlöst laufe ich mit meiner Beute zurück zu meiner Cabana.

 

Dort setze ich mich zuerst einmal in die Sonne und schlürfe einen Kaffee. Was für eine Spiessrutenlauf für etwas Strom.

 

Mein Blick schweift umher und bleibt am Heckteil meiner Honda hängen, welches gestern fast ganz abgebrochen ist.

 

Meine nächste Challenge für heute Nachmittag.


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Ich trinke meine Tasse leer und schaue mir danach die Bruchstellen nochmals genauer an.

 

Von drei Verstrebungen sind zwei gebrochen. Nur eine Frage der Zeit, bis die dritte ebenfalls bricht und mein Kennzeichen weg ist.

 

Das Kennzeichen kann ich abschrauben und oben am Gepäck befestigen. Das Nummernblech hat bereits zwei Löcher, durch die ich Kabelbinder ziehen kann. Die Kabelbinder halten im Gegensatz zum Heckteil die Rüttelpisten problemlos aus.

 

Hinter mir ruft Fernando der Eigentümer der Cabana 57, ob alles in Ordnung ist.

 

Ich drehe mich um und sage «Grundsätzlich schon, wobei der Kennzeichenhalter gebrochen sei.»

 

Fernando legt den Gartenschlauch auf den Boden und kommt zu mir rüber.

 

Er schaut sich die Bruchstellen an und wir diskutieren, was es brauchen würde, damit die Bruchstellen fixiert und wieder halten würden.

 

Danach schaut mir Fernando an und fragt «Hast du Zeit oder willst du irgendwo hin?»

 

«Natürlich habe ich Zeit», entgegne ich und dann geht es Schlag auf Schlag.

 

Zuerst zaubert er ein langes, robustes Metallstück aus einer Ecke unterhalb der Holzveranda hervor. Anschliessend verschwindet er ins Haus und kommt mit Werk- und Messzeug zurück.

 

Nach ein paar Vermessungen ist klar, wie eine Verstärkung für das Heckteil aussehen muss und dass es mit dem Metallstück konstruiert werden kann.

 

Während ich meine Gepäckstaschen von der Honda nehme und das Heckteil ausbaue, holt Fernando eine Schleif- und Schneidemaschine plus eine Dreieck Lineal.

 

Kaum habe ich das Heckteil abmontiert, vermisst Fernando eines nach dem anderen und schneidet das Metallstück entsprechend zu.

Danach nimmt er mich mit in seine Werkstatt, wo er das Metallstück in einen Schraubstock klemmt und es von Hand so zurechtbiegt, dass es den Krümmungen des Heckteils entspricht. Das Feintuning erledigt der Hammer in seinen Händen.

 

Kurz darauf ist Bohrmaschine bereit und eine Loch nach dem anderen wird identisch wie diese im Heckteil gebohrt.

 

Als alles passt verschwindet er nochmals in seiner Werkstatt und kommt mit einer Spraydose mit schwarzer Farbe und einem Karton zurück.

 

Zehn Minuten später trocknet die Heckteilverstärkung schwarz besprayt in der Sonne.

 

Fernando eilt ein weiteres Mal ins Haus und bringt eine Silikonspritze mit.

 

In der starken Sonne trocknet die Farbe schnell, wodurch wir mit der Montage beginnen. Zuerst spritz Fernando überall dort Silikon auf das Verstärkungsblech, wo es auf dem Heckteil aufliegt. Dadurch werden die kleinen Freiräume abgedichtet.

 

Ich suche zwischenzeitlich bei meinen Ersatzteilen nach längeren Schrauben, weil durch das Verstärkungsblech alles dicker geworden ist.

 

Ich verschraube alles und nach einem ausführlichen Check montiere ich das Heckteil wieder am Heck der Honda und befestige mein Gepäck.

 

Ein letzter Test zeigt, wie stabil der Kennzeichenhalter nun ist. Bevor der nochmals bricht, reisst es mir das ganze Heckteil aus dem Rahmenverschraubung.

 

Unglaublich. Innerhalb von zwei Stunden hat mir Fernando eine stabile Heckteilverstärkung konstruiert, Und das einfach Mal so zwischen seiner Gartenarbeit.

 

Mein grosser Dank gehört Fernando und seiner spontanen Hilfsbereitschaft und seinem Können.

 

Jedes Mal, wenn ich jetzt die Honda von hinten sehen, kommt mir diese Geschichte in den Sinn und was für ein Glück ich habe, auf meinen Reisen so grossartige Menschen wie Fernando kennenzulernen.