Die Luft wird dünn

Meine Gastfamilie und alle Einwohner rund herum besitzen Hunde, die allesamt in den frühen Morgenstunden gerne untereinander kommunizieren. Das verkürzt meine Schlafzeit sowohl in dieser als auch in der kommenden Nacht um einiges.

 

Beim Frühstück frage ich nach, ob sie wegen dem Hundegebell nicht aufwachen würden. Die Antwort darauf ist lediglich ein Lächeln und Achselzucken, was wohl so viel heisst wie «Es stört uns jedoch machen wir nichts dagegen»

 

Die freie Zeit bis zum heutigen Grillabend mit meinen Gastgebern, die mich über Facebook eingeladen haben, nutze ich für einen Spaziergang zum Strand. Der liegt vier Kilometer entfernt und mein Weg führt durch die Stadt.

 

La Serena ist für seinen Kolonialstil als auch für seine Strände bekannt und gilt als Oase in der Wüste. Von diesem Charme des Kolonialstils spüre ich jedoch wenig.

 

Es ist Samstag und die meisten Geschäfte haben nachmittags bereits geschlossen und sind mittels schweren Metallgittern gesichert. Gepaart mit den wenigen Menschen auf der Strasse erweckt dies bei mir eher den Eindruck einer verbarrikadierten Innenstadt als hübsches Kolonialstädtchen.

 

Dafür ist am Strand und dem renovierten Leuchtturm einiges los.

 

Die Strandpromenade ist mit kleinen Verkaufsständen und unzähligen Restaurants und Kiosks, die in teils baufälligen Bretterbuden untergebracht sind, gesäumt.

 

Ich schlendere etwas umher und setze mich anschliessend in den Schatten des Leuchtturmes und schlürfe ein Wasser. Ziemlich heiss hier.

 

Meine Grillgastgeber Pamela und Bo holen mich um 19.30 Uhr bei meiner Unterkunft ab. Sie wohnen unweit entfernt auf einem Hügel und haben eine schöne Aussicht über La Serena.

 

Bo kommt aus Schweden und Pamela aus Chile. Kennengelernt haben sie sich über Facebook, weil Bo Bilder seiner Motorradtour durch Patagonien gepostet hat. Diese hat Pamela gesehen und hat ihn daraufhin angeschrieben.

 

Seither sind vier Jahre vergangen und Pamela reist zeitweise nach Europa oder Bo verbringt einige Monate in Chile, so wie jetzt.

 

Bo spricht kein Spanisch dafür Pamela etwas Englisch, wodurch wir in Englisch Reisegeschichten austauschen und über die kulturellen Unterschiede zwischen Schweden und Chile plaudern und dabei viel Lachen.

 

Unter anderem auch, weil sich herausstellt, dass Pamela mich eingeladen hat, damit Bo wieder einmal mit jemand anderes schwatzen kann und etwas Abwechslung hat.

 

Bo war dies sichtlich peinlich, wogegen es für Pamela nichts Besonderes darstellt.

 

Kurz vor Mitternacht bringen sie mich zurück zu meiner Unterkunft und ein amüsanter Abend geht zu Ende.


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Im Hinterland von la Serena wird fleissig Wein angebaut und die Strecke durch dieses Gebiet nennt sich Ruta de las Estrellas.

 

Ich folge heute dieser Strasse bis nach Vicuna, dass lediglich 65 km von La Serena entfernt liegt.

 

Meine Tankanzeige leuchte mal wieder rot auf und ich stoppe bei der kommenden Tankstelle. 

 

Danach genehmige ich mir im angegliederten Shop einen Kaffee und komme mit zwei Indian-Biker aus La Serena ins Gespräch. 

Den Nachmittag verbringe ich Garten meiner Unterkunft und erkunden ein wenig die Ortschaft plus kaufe ich im örtlichen Supermarkt etwas Proviant für die morgige Reise über die Anden nach Argentinien ein.

 

Dazwischen quatsche ich ein wenig mit dem Gashausbesitzer, der ursprünglich aus den USA kommt, jedoch bereits seit mehr als 30 Jahren hier lebt. 

 

Er lädt mich zu einer Weindegustation in seinen Keller ein, die ich dankend ablehne, da ich keinen Alkohol trinke. 

 

Er nimmt es mit Humor und bietet mir dafür eine Glas Wasser an.


Meine heutige Andenüberquerung verläuft über den Paso Agua Negra, von dem viele Reisende sagen, dass er der schönste Andenpasse zwischen Chile und Argentinien ist.

 

Ein weiteres Highlight ist die Passhöhe mit 4'780 Metern über Meer. Dadurch ist er der dritthöchste Pass in Südamerika.

 

Sollte mir oder der Honda auf der Fahrt nicht die Luft ausgehen, wird die Überfahrt mein persönlicher neuer Höhenrekord mit dem Motorrad. Dieser lag bis anhin bei 4'630 Metern über den Ak-Baital Pass im Pamir Gebirge.

 

Die Strecke verspricht also einiges und ich bin gespannt.

 

Ich verabschiede mich bei meinem Gastgeber, der mich dabei nochmals vor der Höhe warnt. Gemäss seinen Erzählungen wurde es ihm bei seiner letzten Überquerung schlecht und er bekam heftige Kopfschmerzen, weshalb er seither nicht mehr rübergefahren ist.

 

Zur Passhöhe sind es von Vicuna aus 190 km und die Höhendifferenz liegt bei 4'100 Metern. Da wird es vermutlich einige steile Anstiege geben.

 

Bei der letzten Tankstelle fülle ich nochmals meinen Tank auf und nehme zusätzliche vier Liter in meiner Benzinblase mit. Das reicht für die Gesamtstrecke von 240 km.

 

Laut Karte ist die Strasse bis zum Stausee La Laguna geteert, was auch stimmt. Der Strassenbelag ist perfekt und die Honda rollt ruhig dahin und bringt mich Meter und Meter in die Höhe.

 

Gefühlt geht es nach mir zwar immer geradeaus. Mein Navi zeigt mir aber an, dass wir langsam, aber stetig steigen.

 

Den auf 2'000 Meter liegenden chilenischen Zoll erreiche ich nach einstündiger Fahrt. Es stehen lediglich zehn Fahrzeuge vor mir, was jedoch nicht heisst, dass es keine Wartezeiten gibt.

 

Jedes Auto hat zwischen vier und sechs Mitfahrende, die nun alle vor mir auf die Zollabwicklung warten.

 

Die fünf Enduro Motorradfahrer aus Argentinien, die mich einiges vorher überholt haben, stehen ebenfalls in der Reihe und warten geduldig.

 

Ein dreiviertstunde später brummt die Honda erneut auf und ich kurve hinauf zum Stausee, der himmelblau vor mir erscheint. Was für ein Anblick mit den dahinterstehenden farbigen Bergen.

 

Ab hier wechselt die Teerstrasse auf Schotter und folgt spektakulär dem Stausee, was mich die Höhe von 3'500 Meter vergessen lässt.

 

Das Farbenspiel geht nach der Laguna weiter und die Schotterpiste folgt einem ausgetrockneten Fluss, der mit rötlichem Sand und Gestein gefüllt ist.

Die Piste ist in einem guten Zustand, weshalb ich flott vorankomme und alsbald die 4'000 Meter Grenze knacke.

 

Jetzt windet sich die Strasse über mehrere Kehren hinauf zur Passhöhe, was die Honda etwas an ihre Grenzen bringt, leuchtet doch plötzlich die Temperaturleuchte auf.

 

Ich halte an und lasse den Motor abkühlen. Eventuell liegt es daran, dass ich einen Gang zu hoch fahre und deshalb der Motor recht heiss wird. Das ist mir bereits bei anderen Steigungen in den Anden aufgefallen.

 

Nach einer Viertelstunde starte ich den Motor erneut und fahre die letzten Kehren alle im zweiten Gang. Das verträgt der Motor einiges besser und die rote Leuchte blinkt nicht mehr auf.

 

Und dann stehen wir oben auf 4'780 Metern. Unglaublich.

 

Natürlich merke ich die dünne Luft bei jeder übermässigen Bewegung, wo mir sofort die Puste ausgeht. Ich bekomme jedoch weder Kopfschmerzen noch andere Beschwerden, weshalb ich etwas länger bleibe.

 

Bereits beim Anstieg sind mir die skurrilen Schneefelder aufgefallen. Durch die nächtliche Kälte, die tags durch intensive Sonneneinstrahlung und dem Wind entstehend Formen, wie auf einem Gletscher, nur das keiner da ist.

 

Die anschliessende Talfahrt verläuft etwas unruhiger, weil die Piste etliche Wellblechstrecken aufweist. Die tolle Landschaft kompensiert jedoch diese Gehirnschüttelstrecken bei weitem.

 

Wie auf der chilenischen Seite wechselt der Belag auf ungefähr 3'500 Metern wieder auf Teer, wodurch ich relaxed den argentinischen Zoll, der kurz vor der Ortschaft Las Flores liegt, erreiche.

 

Hier treffe ich erneut auf die argentinischen Enduro Fahrer. Der vor mir stehende dreht sich zu mir um und will mich was fragen. Dabei verlagert er sein Gewicht zu stark auf die Seite und fällt mit seinem Motorrad um.

 

Das scheint ihn wenig zu stören. Er hebt die Maschine einfach auf und fragt mich danach, woher ich komme.

 

Weiter kann er nicht reden, weil der Zollbeamte bei ihm steht und ihn nach seinem Ausweis fragt.

 

Dafür haben wir nach der Zollabwicklung Zeit und ich plaudere ein wenig mit der Gruppe, die aus dem nicht weit entfernten Mendoza kommt.

 

Meine Unterkunft, in der ich bereits vor vier Monaten war, erreiche ich einige Kilometer später.

 

Beim Nachtessen treffe ich auf eine fünfköpfige Schweizerfamilie, die mit einem Mietauto unterwegs ist. Sie haben Verwandte in Argentinien und besuche diese alle paar Jahre. Sie laden mich zu ihrem Tisch ein und wir verbringen einen lustigen Abend.


Ulrik, der dänische Motorradreisender, den ich schon öfters getroffen habe, hat seine Südamerikarundreise gekürzt und ist jetzt auf dem Weg nach Valparaiso, um sein Motorrad wieder nach Hause zu schicken.

 

Als eines seiner letzten Höhenpunkte plant er ebenfalls den Paso Agua Negra zu überqueren, aber von Argentinien nach Chile. Und da er dies Morgen plant und heute in die Gegend kommt, verabreden wir uns nochmals.

 

Hierzu muss ich jedoch die Unterkunft wechseln, weil die jetzige für die nächsten Tage ausgebucht ist. Es ist eben Ferienzeit in Argentinien.

 

Ich finde eine Cabana, die gross genug für uns beide ist, in der nächsten Ortschaft, die nur ein paar Kilometer entfernt liegt.

 

Kurz nachdem Ulrik eintrifft, treibt uns der Hunger ins 2 km entfernte Dorfzentrum. 

 

Mit einem Loch im Bauch zieht sich der Fussmarsch unerwartet in die Länge und wir sind froh als wir endlich ein offenes Restaurant finden.

 

Die Wirtin ist sichtlich ebenfalls froh, dass wir ihr Restaurant gefunden haben, wir sind die einzigen Gäste, und bedankt sich x-fach bei uns als wir uns verabschieden.

 

Am nächsten Morgen bricht Ulrik früh auf und wir verabschieden uns ein letztes Mal. Wer weiss, vielleicht fahren wir uns bei einer anderen Reise wieder einmal über den Weg.

 

Nach dem Frühstück bepacke ich die Honda und checke meine neue Kennzeichenbefestigung mit zwei Kabelbindern an meinen Gepäck nochmals.

Mein Heckteil hat auf der Schotterpiste über den Agua Negra komplett den Geist aufgeben respektive ist die Konstruktion meines Gastgebers in Villa Carloz Paz ebenfalls durchgebrochen.

 

Es geht zum Glück auch ohne auch wenn jetzt der Dreck bei Nässe wegen des fehlenden Heckteils nach oben spritzt.

 

Die ersten hundert Kilometern auf meiner Route bin ich vor vier Monaten schon einmal gefahren. Ich würde sie jedoch auch ein drittes Mal unter die Räder nehmen, führt sie mich doch über eine abenteuerliche Strasse einen Canyon entlang und durch ein landschaftlich reizvolles Gebiet mit farbigen Felsen.

 

Die Sonne verabschiedet sich heute bereits um 10 Uhr und weicht dicken grauen Regenwolken, die jederzeit ihre Ladung runterschmeissen können.

 

Im Norden von Argentinien herrscht jetzt bis Ende März Regenzeit, weshalb ich mit starken Regengüssen und Gewittern rechnen muss. Diese können jederzeit die Strassen unpassierbar machen, weshalb ich auf den kommenden Streckenabschnitten nie weiss, wie weit ich kommen werde.

 

Heute bleibe ich jedoch mit Regen verschont und ich gelange ohne Hindernisse über eine Bergkette, die mit roten Felsen bespickt ist, bis zu meiner abgelegenen Unterkunft in der Nähe der Ortschaft Nonogasta.

 

Solche Unterkünfte sind mir am sympathischsten. Sie sind Familiengeführt, befinden sich oft in rustikalen, landestypischen Gebäuden und ich bekomme ein leckeres, mit lokalen Esswaren zubereites Nachtessen und meistens ein Frühstück. Dies alles zu einem günstigen Preis.


Mitten in der Nacht werde ich vom Geplätscher auf dem Hausdach geweckt. Es regnet heftig. Ich drehe mich einmal um und versuche weiterzuschlafen.

 

Am Morgen ist der Himmel weiterhin bedeckt und es regnet in unterschiedlichen Abständen und Stärke.

 

Meine Gastgeberin meint, dass dies noch bis Mittag so sein wird und bietet mir an, dass ich eine weitere Nacht bleiben könne.

 

Ich möchte jedoch weiterfahren und verlasse mich auf die Wetter-App, die in meine Richtung besseres Wetter ankündigt.

 

Eine Stunde später brause ich los und der Zufall will es, dass der Regen mit dem Drehen des Zündschlüssel abstellt und der Honda Motor auf Knopfdruck anspringt. Das merke ich mir und hoffe, dass dies bei anderen Regentagen auch so funktioniert.

 

Ich bleibe weiterhin auf der Routa 40 in Richtung Norden und lege eine erste Pause in Chilecito ein, wo eine alte Minenseilbahn quer durch die Stadt verläuft.

 

Natürlich sind die Gondeln nicht mehr in Betrieb, jedoch stehen noch alle Seilbahnmasten und bei der Mine gibt es ein kleines Museum.

 

Vollgetankt cruise ich weiter auf der gut ausgebauten Strasse und steure in verschiedenen Schlaufen in die nächste Regenfront hin einen.

 

Regen als solches ist nicht weiter schlimm. Wie ich jedoch bereits beim Wind erfahren musste, sind die Wetterbedingungen in Argentinien extremer als bei uns. Das gilt auch für den Regen.

Entlädt sich der Himmel, schütter er oft so viel Wasser auf einmal hinunter, dass die ausgetrocknete Erde keine Chance hat, das Wasser aufzusaugen. Deshalb entstehen schnell kleine und grössere Sturzbäche.

 

Beim Strassenbau wird dies berücksichtigt und auf etlichen Strecken gibt es eine Furt nach der anderen. Diese sind meisten mit Betonplatten belegt, damit sie durch das weniger schnell kaputt gehen.

Regnet es, können diese Furten durch das Wasser überspült werden und das Queren ist je nach Situation einfach bis ganz schwierig, weil das Wasser Schlamm, Sand, Holz und Steine mitschwemmt.

 

Bis auf eine Furt, habe ich heute jedoch Glück und sie sind entweder ganz ohne Wasser oder lediglich mit einem kleinen Bach versehen.

 

Eine grössere Furt hingegen ist mit Schlamm und Kies bedeckt und dazwischen braust das Wasser hindurch. Dank der agilen Honda schlängle ich mich jedoch problemlos hindurch und bin zum Staunen der vier Scooter Fahrer, die auf der anderen Seite warten, schnell bei ihnen. Sie Grüssen mich alle freundlich und heben ihre Daumen. Ich denke, sie werden das ebenfalls gut meistern.

 

Am späten Nachmittag treffe ich in Andalgalà ein, dass am Fusse einer grünen Berglandschaft liegt.

 

Erst beim Absteigen fällt mir die hohe Luftfeuchtigkeit auf und signalisiert mir, hier regnet es oft.

 

Nun gut, davon lasse ich mich jetzt nicht abhalten und bleibe für zwei Tage im Ort. Wenn das Wetter mitspielt, erwartet mich danach eine kurvenreiche Fahrt auf einer Schotterpiste durch die Bergwelt.



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