Mit dem Motorrad von Patagonien nach Alaska, Argentinien, rosarotes Haus, Honda CRF 300L

Die Szenerie ändert

Der Pausentag hat gutgetan und frisch gestärkt belade ich meine Enduro.

 

Mein Namensvetter fährt weiter nach Süden und dann rüber nach Chile. Ich bleibe die nächsten Tage in der Region und erkunde einige Täler.

 

Ich verabschiede mich deshalb von Christian mit dem Wissen, dass wir die eine oder andere schwierige Passage zusammen bestreiten werden, da wir ähnliche Reisepläne haben.

 

Ich verlasse Chos Malal und biege bald darauf auf die Schotterpiste ab, die dem Rio Neuguen folgt.

 

Die Piste steigt schnell an und es dauert nicht lange, bis ich mit Aussichten in die Schlucht verwöhnt werde.

 

An manch exponierten Stellen macht es mir der aufkommende Wind nicht einfach anzuhalten respektive von der Honda abzusteigen. Desto mehr geniesse ich die Stopps bei den windgeschützten Stellen.

 

Würde ich auf dieser Piste weiterschottern, würde sie mich über den Paso Pichachen nach Chile bringen. Der ist wegen Schnee aber erst ab Dezember geöffnet.

 

Mein Ziel ist die kleine Ortschaft Varvarco, die in einem Tal am Rio Neuquen liegt und von den Wind Mountain Range umgeben ist. Von hier aus verläuft eine weitere Piste bis nahe an die argentinische Grenze, wo der Fluss seinen Ursprung hat.

 

Ich folge deshalb der Flusspiste, die auf halber Strecke bis zum Grenzpass nach rechts abbiegt.

 

Mein Magen meldet mit einem Knurren, dass er gerne Nachschub hätte. Ich halte deshalb Ausschau, nach einem geeigneten Ort für eine Pause.

 

Nach einer weiteren Flussüberquerung biegt eine kleine Abfahrt hinunter zu einer halbverfallenen Picknickstelle. Cool, da mach ich eine Pause.

 

Mit meinen Gedanken bereits beim Essen, lenke ich die Honda die Abfahrt hinunter und bemerke dabei das Sandfeld nicht, dass gut getarnt mit der gleichen grauen Farbe wie der harte Boden vor mir lauert.

 

Und so kommt es wie es kommen muss, wenn ich unvorbereitet in ein Sandfeld fahre, mein Vorderrad driftet seitlich weg und bis mein Hirn schaltet, was läuft, liege ich bereits am Boden. Fluchend liege ich auf dem Bauch und spüre einen stechenden Schmerz in meinem rechten Fussgelenk.

 

Da der Motor noch läuft, muss ich diesen über den Killschalter zuerst abstellen, was gar nicht so einfach ist, weil ich mich dafür nach links drehen muss, der stechende Schmerz mich aber nach rechts zieht.

 

Dank meinen langen Armen schaffe ich es trotzdem und drehe dann sofort nach rechts auf die Seite.

 

Schöner Mist, mein Fuss liegt unter der Maschine begraben. Zum Glück steckt mein Fuss in dem harten Enduro Stiefel, der den Druck der Maschine problemlos aushält. Der spürbare Schmerz stammt von der schnellen Drehung des Fussgelenks nach rechts beim Aufprall am Boden.

 

Ich ziehe zwei Mal kräftig an meinem Bein und bekomme den Fuss frei.

 

Ich stehe auf und gehe einige Schritte. Das schmerzt zwar heftig, aber es geht. Glück im Unglück, wie es scheint.

 

Mal schauen, ob ich mit dem angeschlagenen Fuss die Honda aufstellen kann. Dazu nehme ich einige Gepäckstücke runter, suche mir einen guten Stand im Sandboden und lost gehts.

 

Und da steht sie. Danke Honda, dass du so ein Leichtgewicht bist.

 

Nun ist es Zeit, mein Fussgelenk genauer anzuschauen. ich setze mich auf einen Stein und ziehe meinen Fuss langsam aus den Stiefeln. Nicht ganz einfach, muss ich dazu den Fuss ziemlich gerade drücken. Aber es gelingt.

Noch die Socke weg und ja, ganz schön geschwollen, mein Gelenk.

 

Ich drehe den Fuss nach links und rechts, was funktioniert. Demzufolge nicht gebrochen. Es füllt sich auch nicht so an, wie beim Bruch meines linken Gelenkes vor ein paar Jahren in Griechenland.

 

Kühlen ist die beste erste Hilfe und zum Glück habe ich immer einen Kühlverband mit dabei.

 

Den hole ich raus und binde ihn straff um mein Gelenk. Das tut gut.

 

Dann wieder rein in die Socke und danach rein in den Stiefel, bevor die Schwellung zu gross wird und dass nicht mehr geht.

 

Ich genehmige mir einen grossen Schluck Wasser und esse endlich ein paar Happen.

 

Frisch gestärkt verstauen ich alle meine Sachen wieder auf der Maschine und begutachte meine restliche Strecke bis zu meiner Unterkunft in Varvarco.

 

Das sind immer noch 60km Schotterpiste mit einem lädierten Fuss. Das wird anstrengend. Eine andere Lösung gibt es aber nicht.

 

Also nicht lange rumstudieren, aufsteigen und konzentriert fahren, dann gelingt es mir.

 

Eine halbe Stunde später haben die Schmerzen nachgelassen, was das Fahren angenehmer macht. Der Kühlverband und die wie eine Schiene agierenden Enduro Stiefel zeigen ihre Wirkung.

 

Es läuft so gut, dass ich sogar noch ein paar Fotos mache, bis ich dann endlich mein Nachtlager erreiche.

 

Humpelnd trete ich ins Haus zur Reception, wo die anwesende Mitarbeiterin mich besorgt anschaut und sofort fragt, ob alles in Ordnung ist.

 

Ich erzähle ihr von meinem Sturzflug in den Sand und dass dabei mein Fussgelenk etwas lädiert ist.

 

Sie bietet mir an, dass sie den Arzt in der nächsten grösseren Ortschaft anrufen kann, was ich dankend ablehne.

 

Etwas später liege ich erlöst auf dem Bett, den Fuss mit dem im kalten Wasser getränkten Verband neu eingebunden und hochgelagert. Schon besser.

 

Mein Ausflug an den Ursprung des Rio Neuquen wird so nicht möglich sein, da mein Fussgelenk mindesten zwei bis drei Tage Ruhe braucht und auch danach noch nicht fit für schwierigere Pisten ist.

 

Ich verlängere deshalb meinen Aufenthalt in der Unterkunft, was glücklicherweise geht. Zudem bekomme ich hier Frühstück und Nachtessen. Ideal für meine Zwangspause.

 

Tags darauf weckt mich der pfeifenden Wind. Ich ziehe die Nachtvorhänge auf und werde von einem bedeckten Himmel erwartet.

 

Eine Schlechtwetterfront ist aufgezogen, die von heftigen Winden begleitet wird. Ich hätte also auch ohne meine Verletzung heute nirgendswo hinfahren können.

 

Wie es sich zeigt, bleibt es die nächsten zwei Tage so und ich bekomme einen ersten Vorgeschmack, wie heftig der Wind toben kann.

 

Da bin ich richtig froh um meine Zwangspause im warmen Zimmer. Und natürlich hat die Honda ebenfalls einen sicheren Platz hinter einer Steinmauer bekommen. Ansonsten wäre sie vermutlich vom Winde verweht worden.

 

Bedingt durch den Sturm, fällt in den kommenden Tagen der Strom und das Wasser für mehrere Stunden aus und das Mobile- und Festtelefonnetz bricht zusammen.

 

Am dritten Tag ist der Spuck vorbei und die Sonne lacht vom Himmel, als ob nichts gewesen wäre.


Klicke auf das jeweilige Bild für eine Bildvergrösserung und Beschreibung

Kühlung, Druckverband und das Hochlagern zeigen ihre Wirkung und am dritten Tag ist die Schwellung deutlich zurückgegangen.

 

Drehbewegungen oder den Fuss unter vollem Gewicht richtig abrollen, schmerzt natürlich noch, was sicherlich noch eine Weile so bleiben wird.

 

Trotzdem entschliesse ich mich weiterzufahren. Einerseits fühle ich mich langsam eingeengt von meinem Zimmer und andererseits lockt die auf den Sturm folgende Schönwetterperiode, die sich bis weit in den Süden hinunterzieht. Ideale Voraussetzungen für meine Reise in die regenreiche Region der sieben Seen.

 

Zugunsten meines Gelenkes wähle ich heute eine Strecke über die geteerte Routa 40 und verklemme es mir bis zur Teerstrasse nicht die verlockende wilde Piste durch eine weitere Schlucht zu fahren. Selbst schuld.

 

Das Auf- und Absteigen bringt mein Fussgelenk in Wallungen, weshalb die Pausen sitzend auf der Honda verbringe. Mal was Neues.

 

Bei einem dieser Halte schwenken zwei Wohnmobile auf den Parkplatz, die zwei Paare aus Brasilien steuern.

Wir kommen sofort ins Gespräch und sie erzählen ein wenig von ihrem Urlaub in Patagonien bis hinunter nach Ushuaia. Dabei warnen sie mich vor den heftigen Winden, durch die sie sich mit ihren Wohnmobilien kämpften

 

Ich bedanke mich und füge hinzu, dass ich davon gehört habe und die letzten paar Tage einen Vorgeschmackt davon bekam.

 

Als sie davon fahren fällt mir auf, dass ich bis jetzt keine europäischen oder nordamerikanische Reisende getroffen habe. Erstaunlich, less ich doch in viele Facebookgruppen von Reisenden, die mit dem Motorrad oder Camper in Südamerika unterwegs sind. Würde ich vermutlich mehr auf der bekannten Route 40 fahren, würde ich auch mehr von ihnen treffen.

 

Ansonsten verläuft der Reisetag ruhig und ich brause mal mit mehr und mal mit weniger Wind durch die Weiten der argentinischen Landschaft. Dabei stelle ich mir vor, dass es da draussen bestimmt noch unzählige Orte gibt, wo noch kein Mensch seinen Fuss daraufgesetzt hat. Eigentlich völlig unwichtig, aber beim Motorradreisen sausen mir oft solche Gedanken durch den Kopf.

 

Abends bin ich froh, dass der Fahrtag gut verlaufen ist und mein Fussgelenk weiter abgeschwollen ist.


Mit der heutigen Strecke ändert die Szenerie und es wird grün.

 

Doch zuerst frage ich auf Anraten meines Gästehausinhabers im örtlichen Touristenbüro nach, ob die Schotterpiste entlang der chilenischen Grenze zum Lago Aluminé geöffnet ist.

 

Die Piste verläuft zwar lediglich auf knapp 1'500 Meter Höhe, bedingt durch das veränderte Klima schneit es hier viel weiter herunter als im trockenen Norden.

 

Im bekomme grünes Licht und brause nach einem Tankstopp auf einer gut ausgebauten Teerstrasse in Richtung Paso Hachado, auf welchem die Grenze nach Chile verläuft.

 

Schon fast gespenstisch ruhig verläuft meine Fahrt mit Tempo 80km in Richtung Anden, weil kein einziges Lüftchen weht. Und so bleibt es überraschenderweise den ganzen Tag.

 

Keine hundert Meter vor dem argentinischen Zoll biegt meine Schotterverbindung nach links ab.

 

Diverse Tafeln weisen darauf hin, dass die Route geschlossen ist und dass sie gefährlich sei.

 

Die Schliessungstafel ignoriere ich, steht doch darauf wegen Schnee 2021. Da hat wohl jemand vergessen, die Tafel abzumontieren.

 

Die Piste ist in einer besseren Verfassung als ich dachte, wodurch ich gut vorankomme.

Es geht hinauf auf einen kleinen Pass, wo links und rechts grosse Schneefelder liegen.

 

Oben angekommen, erhebt sich stolz am Horizont der Vulkan Lanin, Was für ein Bild.

 

Die letzten 20 Kilometer bis zum Lago Aluminé durchquere ich leider eine Baustelle. Zu meinem Glück ohne ausgefahrene, verschlammte Umleitungen. Trotzdem alles andere als angenehm.

 

Und dann erstrahlt der riesige See in tiefblauer Farbe inmitten grüner Wälder vor mir. Fast schon unwirklich, diese Farbenbracht.

 

Meine Unterkunft ist ebenfalls farbig und präsentiert sich mir in leuchtendem pink. Unmöglich, daran vorbeizufahren.

 

Es ist noch früh am Nachmittag. Zeit für einen Spaziergang an den See, wo ausser mir und ein paar Enten niemand ist.

 

Einmal mehr bin ich der einzige Gast in diesem heimeligen Holzhaus, wodurch die Gastgeberin viel Zeit hat und ich beim Nachtessen einiges über die Gegend und das Leben hier erfahre.

 

Und der Zufall will es, dass ihre Grossmutter ursprünglich aus der Schweiz stammte und dann erst noch aus dem Kanton Schwyz.


Bevor ich losfahre, bestaune ich den 100-jährigen Araucarias Baum, der vor der Unterkunft steht. Einige Leute behaupten, diese Bäume hätte es bereits zu Zeiten der Dinosaurier gegeben. Ob dem so sei, ist dahin gestellet, sicher ist aber, dass diese Bäume nur in einigen wenigen Gebieten wachsen.

 

In einer grossen Schlaufe schottere ich entlang zweier weiteren Seen. Dazwischen lege ich mehrere Stopps ein und geniesse die Ruhe, die durch rein gar nichts gestört wird. Nicht mal von Insekten.

 

Wieder auf der Teestrasse lege ich eine Kaffeepause bei der einzigen Tankstelle auf meiner heutigen Route ein.

 

Wie üblich werde ich freundlich vom Tankpersonal begrüsst, quatsche ein wenig mit ihnen und verschiebe mich danach in das anliegende Kaffee.

 

Die Temperaturen sind heute erstaunlich hoch und schon nahe bei 30 Grad.

 

Erstaunlich, hatte ich heute Morgen doch gefrorenen Tau auf meinem Sattel.

 

Weiter geht es auf einer zerlöcherten Teerstrasse, die alsbald in eine Schotterpiste wechselt.

Auf dieser folge ich über 40km lang dem Fluss Aluminé, was landschaftlich ein Leckerbissen ist, wenn die harte Wellblechpiste nicht wäre.

 

Durchgeschüttelt begrüsse ich erfreut die darauffolgende Teerstrasse, auf der ich etliche Kurven später erneut den Vulkan Lanin erblicke.

 

In Junin de los Andes genehmige ich mir eine weitere Pause. Wieder auf der Strasse ist es vorbei mit der Ruhe. Der Verkehr nimmt Gefühlt alle paar Kilometer zu und vor San Martin de los Andes stehe ich doch tatsächlich in einem kleinen Stau.

 

Wundert mich nicht, bin ich doch hier einem der touristischen Gebieten von Argentinien, die sowohl im Winter als auch im Sommer hochfrequentiert sind.

 

Gut ist erst Nebensaison, wodurch ich ein günstiges Zimmer erhalte und hoffentlich morgen die bekannte Strasse 7 de los Lagos von San Martin de los Andes bis nach Bariloche noch ohne Stossverkehr geniessen kann.

 

Ob das klappt, lest ihr im nächsten Blog.



Route und Downloads

Download
Track Die Szenerie ändert.gpx
XML Dokument 1.9 MB
Download
POI Die Szenerie ändert.gpx
XML Dokument 31.7 KB