Motorradreise von Patagonien nach Alaska, Argentinien, Villa Berna, Honda CRF 300 L

Es wird Europäisch

Villa Carlos Paz war mein östlichster Punkt meiner argentinischen Schlaufe und die nächsten vier Tage bringen mich wieder zurück zu den Anden.

 

Die Honda ist bepackt und nach der herzlichen Verabschiedung von Fernando uns seiner Familie cruise ich in südlicher Richtung aus der Stadt hinaus.

 

Unweit der Stadt liegt der Nationalpark Quebrada del Condorito, der Name Condor wird in Argentinien oft für Parks und Aussichtspunkte benutzt, durch den einerseits eine gut ausgebaute als auch eine alte Schotterstrasse führt.

 

Ich steuere die Schotterpiste an, obwohl das Wetter bewölkt ist und es eventuell regnen könnte.

 

Bei der letzten Abbiegung auf die Piste steht eine Hinweistafel, dass es oben auf dem Pass neblig ist. Ich versuche trotzdem mein Glück, schliesslich kann ich jederzeit umdrehen.

 

Kurvenreich schlängelt sich die Piste hinauf durch die Bergwelt. Die drei Flussüberquerungen verlaufen über Brücken wackeligem Holzboden.

 

Trotz der Bewölkung ist die Aus- und Weitsicht ganz gut und der angekündigte Nebel zieht nur schüchtern über den Bergkamm.

 

Wie so oft ist auf den Schotterstrassen kaum jemand unterwegs und so begegnen mir lediglich ein paar Kühe, bis ich oben auf dem Pass auf die Teerstrasse stosse.

 

Bevor ich auf dieser wieder ins Tal fahre, genehmige ich mir einen Kaffee im Passrestaurant.

 

Vor der Tür stehen fünf Motorräder und kaum betrete ich das Kaffee werde ich von ihnen angesprochen.

 

Als sie weiterfahren, spricht mich ein weiterer Gast im Lokal an und möchte wissen, woher ich komme und wohin meine Reise geht.

 

Bei all diesen Begegnungen helfen mir meine Spanischkenntnisse sehr und ich bin froh, dass ich sie in Valparaiso weiter verbesserte.

 

Zwischenzeitlich ist der Wind aufgetaucht und pfeift mir bei der Talfahrt heftig um den Helm.

Er sorgt auch für kühle Temperaturen, die erst wieder angenehmer werden als ich unter 1'000 Meter bin.

 

In der Provinz Cordoba existieren etliche Siedlungen, die durch europäische Auswanderer gegründet und geprägt wurden.

 

Eine davon ist die Ortschaft La Cumbrecita, die etwas abgeschieden in den Hügeln liegt und heute ein Ökodorf ist.

 

Ich wähle eine Abkürzung über eine weitere Schotterpiste, die durch eine reizvolle Landschaft, vorbei an den ersten Fincas mit Deutschen Namen führt.

 

Bald haben die Strässchen deutsche Namen wie Margrita Kellenberg oder Unterkünfte Namen wie Lomas die Berna (Berner Hügel) und eine Ortschaft wie Villa Berna.

 

Inmitten La Cumbrecita werde ich von einer Aufseherin beim Ende der geteerten Dorfstrasse gestoppt und weist mich darauf hin, dass der Besuch der Ortschaft CHF 3.00 kostet. Ich bezahle den Betrag mit dem Deal, dass ich mein Motorrad neben ihrer Bank parken kann und sie ein Auge darauf wirft.

 

Ich schlendere etwas durch die kleine Ortschaft und kehre im Deutschen Lokal Berg Bräu ein und esse Gulasch mit Spätzle. Auf das obligate Bier dazu verzichte ich in Anbetracht, dass ich heute noch etwas weiterfahre.

 

Eine Stunde später schwinge ich mich wieder in den Sattel meiner Enduro und kurve auf einer Teerstrasse in die Ortschaft Ville General Belgrano.

 

Schon die ersten Häuser deuten ebenfalls auf einen europäischen Hintergrund hin, was sich im Dorfzentrum dermassen verstärkt, dass ich das Gefühlt habe, in einer Deutschen Ortschaft zu sein.

 

Zwischen all den Deutschen Namen gesellen sich mit dem Berna Hotel auch Schweizerische oder demjenigen meiner Unterkunft Residencia Giovanni Luigi Italienische.

 

Nach meinem Rundgang durch die Ortschaft plaudere ich ein wenig mit meiner Gastgeberein, die mir unter anderem erzählt, dass zwar alles europäisch aussieht, aber kaum mehr jemand Deutsch oder andere europäische Sprachen spricht und das Dorfbild hauptsächlich für touristische Zwecke gepflegt wird.

 

Den Argentinier*innen scheint es zu gefallen,


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Das Wetter sieht weiterhin betrübt aus und es nieselt sogar etwas. Weil für Morgen Regen angesagt ist, will ich trotz dem verhangenen Himmel aufbrechen, anstatt hier zwei Tage auf besseres Wetter zu warten.

 

Mit rund 100km ist meine heute Strecke eher kurz, weshalb ich mir mehr Zeit lasse, bis ich aufbreche als sonst.

 

Zuerst gibt es ein Frühstück im Cafe Rissen. Danach alles einpacken und auf der Enduro verstauen.

 

Ich schiebe sie aus der Garage hinaus, drehe den Zündschlüssel um, ziehe die Kupplung und drücke auf den Starter.

 

Nichts passiert.

 

Ich kontrolliere, ob der Motor Killschalter eingeschaltet ist respektive schalte in aus und wieder ein und versuche die Honda wieder zu starten.

 

Nichts.

 

Zündung wieder aus- und wieder einschaltend kontrolliere ich, ob alle Lichter im Cockpit angehen und ob ich die Benzinpumpe höre.

 

Alles normal also nochmals starten - immer noch nichts.

 

Ich wechsle in den neutralen Gang und starte nochmals. Und siehe da, die Honda brummt wie gewohnt sofort los.

 

Beim Gangeinlegen stellt sich aber gleich wieder ab.

 

Das deutet auf einen Defekt in der Seitenständerelektronik hin, die dafür sorgt, dass der Motor abstellt, sollte der Seitenständer beim Gangeinlegen noch ausgeklappt sein und somit verhindert, dass losgefahren wird, obwohl der Seitenständer noch draussen ist, was gefährlich wäre.

 

Nun gut, ich schiebe die Maschine zurück in die Garage und entledige mich meiner Motorradklamotten.

 

Ich krame das Werkzeug hervor und lehne die Enduro an die Wand an, damit ich problemlos an den Seitenständer rann komme.

 

Über Facebook kontaktiere ich zudem Viktor von V. Müller Motor, der mich bei technischen Fragen unterstützt und mir freundlicherweise umgehend zurückmeldet, dass es fast sicher an der Seitenständerelektronik liegen muss und mir sogar eine Skizze davon schickt. Moderne Kommunikationstechnik sei Dank.

 

Dazwischen habe ich den Fehler bereits gefunden. Die Schraube, die den Seitenständer am Rahmen befestigt, fungiert auch als Halterung für die Elektronik. Diese hat sich durch das Gerüttle der letzten Tage gelöst, weshalb der Kontakt der Elektronik zum Seitenständer nicht mehr 100 % vorhanden war.

 

Ich löse die Schraubenmutter ganz und bringe etwas Loctite zur Schraubensicherung an. Danach ziehe ich sie fest, starte die Maschine und lege den Gang ein. Und siehe da, der Motor stellt nicht mehr ab.

 

Froh, dass das Problem so schnell gelöst ist, verstaue ich mein Werkzeug und werfe mich erneut in meine Motorradkleider, setze den Helm auf und los geht es.

Mit vollem Tank biege ich auf die nächste Naturstrasse ein, die mich hinauf ins Pasos Malos Gebirge bringt.

 

Wie gestern liegen dichte Wolken über den Bergen. Mal schauen, ob ich heute nochmals Glück habe und ohne Nebel rüberkomme.

 

Nach einer Stunde geschüttle taucht plötzlich ein frisch gestrichenes Haus auf, das gross mit Herberge und Kiosk angeschrieben ist. Das passt, ist es doch Zeit für eine Pause.

 

Im Laden werde ich freundlich von zwei Männern begrüsst und ich kaufe ein Wasser. Dabei kommen wir ins Gespräch und ich erfahre, dass ich während den Sommermonaten Dezember - Februar einige Touristen durchkommen und die Herberge gut besucht ist. Gut für sie, haben sie dadurch ein zusätzliches Einkommen in dieser sonst abgelegenen Gegend.

 

Ich schottere weiter und klettere langsam und stetig auf 2'000 Meter hinauf. Leider verzieht sich der Nebel heute nicht sondern verschleiert mir mehr und mehr die Sicht.

 

Wie üblich sinken dabei die Temperaturen recht schnell und ich muss eine Zusatzschicht anziehen.

 

Dabei schält sich ein Jeep aus dem Nebelschleier heraus und stoppt neben mir. Der Fahrer grüsst und fragt, ob alles in Ordnung ist. Ich nicke und bedanke mich für seine Nachfrage.

 

Bald darauf erreiche ich die Teerstrasse, die von der Ortschaft Merlo, meinem heutigen Ziel, hier hinaufführt.

 

Geteert wurde die Strasse, weil von dieser Seite das Gebirge steil ansteigt und etliche Weitblicke in die weite Ebene hinter Merlo freigibt.

 

Immer noch im Nebel fahrend, hoffe ich, dass ich bei der Talfahrt doch etwas von dieser Aussicht mitbekomme.

 

Das funktioniert glückerweise auch. Die Nebeldecke lüfte sich und plötzlich liegt die riesige Ebene vor mir wie auf einem Präsentierteller.

 

Zu sehen ist auch die spektakuläre Strassenführung bis hinunter nach Merlo.

 

Für Unterhaltung sorgt der stark aufkommende Wind, der mich ganz schön herumbläst, sowohl beim Fahren als auch beim Fotografieren.

 

In Merlo habe ich noch keine Unterkunft. Ich frage deshalb im erstbesten Hotel an der Strasse nach einem freien Zimmer, was zu einem vernünftigen Preis klappt. Frühstück gibt es ebenfalls.

 

Ich wechsle die Kleider spendiere mir einen Kaffee. In den meisten Unterkünften hat es einen Wasserkocher und Instantkaffee habe ich auf dem Motorrad.

 

Im Garten sitzend gesellt sich der Besitzer zu mir. Er erzählt, dass er während zweier Jahre in Genf gearbeitet hat und einen deutschen Pass besitzt. Leider aber überhaupt kein Deutsch spricht ausser Guten Tag, Danke und Bitte.

 

So klingt mein Tag mit einem weiteren interessanten Gespräch aus.


Wegen den schlechten Wettervorhersagen plane ich einen Ruhetag in Merlo.

 

Das laute Gedonnere am Morgen deutet auf eine richtige Entscheidung hin und bald darauf schüttet es heftig vom Himmel. Nun gut, sowohl ich als auch die Honda habe ein schützendes Dach über dem Kopf / Sattel.

 

Während den Regenpausen durchstreife ich ein wenig die Ortschaft, esse was und schlürfe einen Kaffee in einem der Kaffeehäuser.

 

Wieder im Hotel möchte ich die Strecke von morgen noch etwas anpassen, was nicht gelingt, weil kaum habe ich den PC eingeschaltet, ein Stromausfall folgt. Schon wieder kein Strom, nur zum Glück nicht wegen des Netzteils.

 

Der Hotelinhaber überreicht mir eine Taschenlampe, weil er befürchtet, dass es länger dauern könnte. Er sollte recht behalten und erst fünf Stunden später bringt der Strom die Lampen wieder zum Leuchten.

 

Tags darauf setzte ich meine Fahrt fort. Die dunkeln Wolken verziehen sich im Minutentakt und bald darauf scheint mir die Sonne in den Helm. Schön, dich wieder zu sehen.

 

Etwas später flitze ich zum ersten Mal in Argentinien auf einer Autobahn dahin. Es ist die einzige Verbindung für die nächsten dreissig Kilometer, weshalb ich keine andere Option habe.

 

Zu meinem Erstaunen ist nichts los auf dem Highway und ich fahre die gesamte Strecke, ohne ein Auto vor mir oder von einem überholt zu werden.

 

Bei meiner Abfahrt wartet ein verschlafener Mitarbeiter in einer Holzhütte auf mich und verlangt umgerechnet CHF 0.30 Rappen Autobahngebühr, die ich leicht amüsiert bezahle.

Unerwartet biege ich einige Kilometer später auf eine Schotterstrasse ab. Eigentlich habe ich auf der Karte keine Rumpelpiste auf der heutigen Strecke gesehen, aber macht nicht. Das bringt Abwechslung.

 

Drei Kurven später stehe ich vor der ersten kleinen Flussdurchfahrt. Ein kurzer Kontrollblick zeigt mir, dass es nicht tief ist und der Untergrund eine halbzerfallene Betonfurt ist.

 

Ich fahre durch und scheuche einige Kilometer später etliche Vögel am Strassenrand auf.

 

Die sehen wie eine Art Geier aus. Ich halte, drehe und schaue mir das genauer an. Da liegt eine angefressener Kuhkadaver. Ein Festmahl für die Vögel, die deshalb auch in den nahen Ästen darauf warten, bis ich verschwinde. Andere kreisen wie in den Western Filmen über mir. Bereit sich auf die Beute zu stürzen.

 

Wieder auf der Teerstrasse durchquere ich eine Hochebene, in der Berg- und Felsformationen für Abwechslung sorgen.

 

Wie gestern, schleiche ich mich durch diese Hochebene von hinten auf eine Gebirgskette, die auf der anderen Seite schroff abfällt und dadurch für unglaubliche Weitsichten und eine spektakuläre Strassenführung sorgt.

 

Auf einem der Aussichtspunkte pausiert eine Motorradgruppe aus Cordoba, die mit ihren schnellen Motorrädern die gut ausgebaute Teerstrasse durch diese Berglandschaft mit Tempo geniesst.

 

Ich behalte lieber mein gemächliches Tempo bei und bestaune dafür die tolle Landschaft.


Auf jeder Reise hat es Strecken, die in die Rubrik langweilig gehören, weil die landschaftlich und strassentechnisch nichts besonders passiert.

 

Die heutige Strecke gehört in diese Kategorie. Um wieder näher an die Anden zu gelangen, muss ich eine riesige Ebene durchqueren. Dazu steht mir eine relativ gut ausgebaute Strasse zur Verfügung, was es mir wesentlich einfacher macht, die 300km abzuspulen.

 

Etwas Besonderes hat die Strecke trotzdem. Mit einem über 110 km schnurgeraden Abschnitt breche ich meinen eigenen Rekord im geraudeausfahren auf meinem Motorrad. Bis anhin lag der bei 95 km, was auf einer Strasse in den USA möglich war.

 

Unglaublich. Ich kann auf dieser Strecke permanent während  1 1/2 Stunden gleichermassen Gas geben. Lediglich eine Polizeikontrolle bei der Provinzgrenze zwischen San Luis und Mendoza muss ich einmal bremsen.

 

Die Kontrolle verläuft wie bis anhin mit einem freundlichen Guten Tag, woher kommen sie gerade und wohin wollen sie und als er merkt, dass Spanisch meine erste Sprache ist, fragt er nach woher ich komme und wie mir Argentinien gefällt.

 

Ein paar Meter später werde ich durch die Gesundheitsbehörde gestoppt, die kontrolliert, dass niemand Früchte und Fleisch über die Provinzgrenzen bringt und dadurch Schädlingen mitreisen.

 

Er winkt mich gleich durch. Anscheinend hat er keine Lust mich zu kontrollieren.

Und so beschleunige ich wieder auf meine gewohnte Geschwindigkeit und gleite weiter geradeaus.

 

Auch auf dieser Strecke erscheinen regelmässig am Strassenrand kleine Schreine mit der Statue der Jungfrau Maria. Ich gehe davon aus, dass dies die Reisenden schützen soll.

 

Damit keine Tiere die Schreine als Schlaf- oder Pinkelstelle benutzen, bauen die Menschen links und rechts eine Mauer aus PET-Flaschen auf. Das sieht dann von weitem wie eine Mühlhalde aus respektive ist grundsätzlich auch eine, weil für die Schutzwalle etliche Plastikflasche eingesetzt werden.

An einigen Stätten sind sogar verbrauchte Reifen am Boden deponiert, damit sich nicht getrauen darüber zu klettern.

 

Auf den letzten Kilometern bekomme ich einen kleinen Vorgeschmack auf die starken patagonischen Winde. Orkanartig bläst der Wind über die Strasse und fegt micht einige Male fast von der Strasse.

 

Dagegen kann ich wenig tun, ausser langsam fahren und konzentriert bleiben.

 

In San Rafael erwartet mich bereits Christian, mit dem ich nach Hamburg gefahren bin, um unsere Motorräder am Hafen abzuliefern. Er ist vor ein paar Tagen von Chile nach Argentinien gefahren und war hier in der Gegend, weshalb wir uns verabredeten.

 

Die nächsten Tage werden wir gemeinsam unterwegs sein.



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