Motorradreise von Patagonien nach Alaska, Argentinien, Nationalpark Los Alerces, Seen, Berge, Honda CRF 300L

Tour de Suiza

Zugunsten meines verstauchten Fussgelenks lege ich einen weiteren Ruhetag in San Martin des los Andes ein.

 

Zwischen Eis auflegen und Hochlagern humple ich in den Supermarkt und weiter zur Western Union Filiale, an die ich vorher eine Überweisung tätigte. Meine argentinischen Pesos sind langsam alle.

 

Bevor es wieder zurück geht, genehmige ich mir einen Cappuccino in einem der einladenden Kaffeehäuser.

 

Den Rest des Tages relaxe ich in meiner komfortablen Unterkunft.

 

Die Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht sind in dieser Region heftig. Sass ich gestern Mittag mit T-Shirt und kurzen Hosen bei knapp 30 Grad im Schatten, friere ich jetzt um 09.00 Uhr beim Bepacken der Honda. Deshalb krame ich meine Unterjacke aus dem Gepäck hervor und ziehe sie über. Schon besser.

 

Mein erster Stopp ist bei der einzigen Tankstelle im Ort. Einmal mehr ist die Warteschlange lang und auf Anstehen habe ich für einmal keine Lust.

 

Meine 2x2 Liter Kanister im Gepäck sind noch voll. Das reicht bis zur nächsten Tankstelle, die etwa 100km entfernt an meiner Strecke liegt.

 

Also Motor wieder an und weiter auf die Routa 40, die zwischen San Martin de los Andes und Bariloche an sieben Seen vorbeiführt.

 

Der Erste zeigt sich gleich beim Ortsausgang von San Martin de los Andes und die Strasse folgt ihm einige Kilometer. Toll, das sieht aus wie bei uns in der Schweiz, einfach überdimensionierter.

 

Seit mehreren Jahren ist die gesamte Strecke geteert. Das lässt mir Raum bei gemässigtem Tempo die Landschaft auszukosten.

 

Ein Aussichtspunkt reiht sich an den Nächsten, wobei ich bei der Mehrheit nicht weiss, was es zu sehen gibt, weil Bäume oder grosse Sträucher die Sicht versperren.

 

Der Mirador Lago Correntoso bietet dafür einen Weitblick auf den See und umliegende Berge. Das Wissen alle Reiseanbieter ebenfalls, wodurch der gesamte Parkplatz mit Reisebussen belegt ist.

 

Meine Honda braucht glückerweise wenig Platz und so stelle ich sie einfach an den Strassenrand.

 

Die Aussichtsplattform ist voll mit fotografierenden Menschen, die sich gegenseitig im Weg stehen, weil alle ein Selfie von sich allein mit der Landschaft machen wollen. Comic pur.

 

Dann geht es plötzlich schnell und alle verschwinden wie auf Kommando in die Busse und rauschen davon. Doch kaum sind sie aus meinem Blickfeld verschwunden, rollt bereits die nächste Touristenfuhre von der anderen Seite an.

 

Mir bleibt gerade noch Zeit für ein Foto, bevor das mit den Selfies von neuem losgeht.

 

Ich brause davon und erreiche ein paar Kilometer später einen weiteren Platz mit tollem Weitblick auf den Lago Espejo.

 

Der Besucheransturm hält sich bei meiner Ankunft in Grenzen, weshalb ich einen Stopp einlege.

Etwas später tanke ich in Villa la Agostura und fülle etwas meinen Magen.

 

Die Ortschaft liegt am Lago Nahuel Huapi, an dem auch Bariloche sich ausbreitet und meine Unterkunft, die sich ausserhalb der Stadt befindet.

 

Anfangs folgt die Strasse dem Seeufer, wo ich einen weiteren Fotostopp einlege.

 

Kaum bin ich abgestiegen, steht ein Bernhardiner Hund vor mir und der Besitzer fragt mich, ob ich ein Foto mit dem Hund machen wolle.

 

Ich kann mich das Lachen nicht verkneifen, weshalb mich der Hundebesitzer etwas komisch ansieht. Ich erkläre ihm, dass ich aus dem Land seiner Hunderasse komme, was bei ihm ebenfalls ein Lächeln hervorruft mit der Bemerkung, dass ich deshalb erst recht ein Foto mit seinem Hund haben sollte.

 

Ich winke freundlich ab und knipse dafür die See- und Berglandschaft. Wobei die ebenfalls wie bei uns aussieht.

 

Bariloche ist eine Touristenhochburg, die mich nicht interessiert, weshalb ich die Stadt in einem Zug durchfahre.

 

Mich zieht es in die kleinen Siedlung Colonial Suiza, die am kleinen Nebensee Lago Perito Moreno liegt und der richtige Abschluss meiner heutigen Tour de Suiza ist.

 

Untypisch für Schweizer Verhältnisse verläuft die Anfahrt über eine Schotterpiste und auch innerhalb der kleinen Siedlung finden sich keine Teerstrassen.

 

Ich schlendere ein wenig umher und kaufe ein Wasser in einem der Läden. Auf meine Frage, ob jemand Schweizerdeutsch spricht, schütteln alle Anwesenden den Kopf.

 

Draussen setze ich mich auf eine Holzbank und erblicke eine kleine, herumstehende Gruppe. Höre ich da etwa Schweizerdeutsch?

 

Und ja, es ist ein Grüppchen aus Walenstadt. Sie sind mit einem argentinischen Reiseführer unterwegs, der zeitweise in Walenstadt arbeitet und sie sich dadurch kennengelernt haben. Die Reise mit ihm haben sie selbst organisiert. Großartige Sache und wir plaudern eine Weile, bis sie weitermüssen.

 

In der Siedlung gibt es ausser einigen geschlossenen Zeltplätze keine Unterkünfte. Ich fahre deshalb ein Stück weiter zu meiner auf Booking.com gefundenen Hosteria.

 

Kaum hatte ich die Unterkunft heute Morgen gebucht, bekam ich auf Deutsch eine Willkommens WhatsApp Nachricht mit Infos rund um meinen Aufenthalt.

 

Gespannt klingle ich an der Haustüre und werde freundlich sowohl auf Spanisch als auf Deutsch begrüsst.

 

Die Familie stammt aus Slowenien und das ausgewanderte Paar arbeitet trotz ihrem hohen Alter immer noch im Familienbetrieb.

 

Unterstützt werden sie von ihrer Tochter, die ebenfalls gut Deutsch spricht, weil sie in Bariloche die deutsche Schule besuchte und anschliessend lange in Deutschland gelebt hat.

 

Für einmal dominiert Deutsch beim abendlichen Small Talk.


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Auf Anraten der Gasthausfamilie kurve ich nach dem Frühstück hinauf zum Mirador Punta Panoramico, von wo sich mir wie der Name sagt ein Panorama über Seen- und Berglandschaft auftut. Was für ein Start in den Tag.

 

Weiter hat mich die Familie vor meiner Strecke nach El Bolson gewarnt. Die Strasse sei zwar geteert, habe aber teils gefährliche, tiefe Löcher im Belag.

 

Und so ist es auch. Teils in Massen und teils völlig unterwartet tauchen die Belagsschäden auf. Einige davon weisen eine Tiefe aus, die mein Vorderrad ganz schön in Bedrängnis bringen würden. Somit ist konzentriertes Fahren angesagt und nicht cruisen mit Landschaft bestaunen.

 

Die Route verläuft abwechslungsreich über kleine Pässe und Täler. Mal sieht es erneut aus wie bei uns in der Schweiz und manchmal erinnert es mich an die riesigen Wald- und Bergflächen wie in Kanada.

 

Auf einem der kleinen Pässe erscheint hinter einer Kurve das Restaurant El Balcon. Weil ich es zu spät sehe, brause ich vorbei, erhasche aber im Augenwinkel die grosse Terrasse mit Ausblick.

 

Das kommt gerade richtig, brauchen meine Energiespeicher Nachschub und mein Geist eine Pause.

Ich drehe um, nehme auf der Terrasse im Schatten Platz, lasse mich von der Aussicht verzaubern und esse bald darauf einen Happen.

 

Südlich von El Bolson verlasse ich die Routa 40 und lenke die Honda in Richtung der Ortschaft Cholila, die in der Nähe des Nationalparks Los Alerces liegt, den ich morgen besuche.

 

Es wird flacher und mehr und mehr landwirtschaftliche Betriebe nutzen das wasserreiche Gebiet. Die schneebedeckten Anden im Hintergrund bieten einmal mehr die fotogene Kulisse dazu.

 

Cholila zeigt sich mir als verschlafene Siedlung, in der lediglich bei der Tankstelle etwas Betrieb herrscht.

 

Mein Gasthaus, dass ich über Google Maps gefunden habe, liegt ausserhalb der Ortschaft. Über eine Schotterstrasse gelange ich dahin und werde von einem gut unterhaltenen Farmhaus mit riesigem Garten und angrenzenden Gästezimmertrakt erwartet. Wie ein kleines Paradies.

 

Ich klingle und bald darauf erscheint die Gastgeberin und zeigt mir mein Zimmer. Das Motorrad erwähnt sie, könne ich gleich daneben parkieren. Ich erwidere, dass ich dadurch über ihren Rasen fahren muss, worauf sie mich etwas fragend anschaut und meint: Das macht doch nichts.


Im und rund um Nationalpark Los Alerces liegen verschiedene See, die in grosse Waldgebiete eingebettet sind. In diesen Wäldern wächst die Patagonische Zypresse, genannt Alerce, die zu den langlebigsten Lebensformen auf der Welt zählen.

 

Neugierig mache ich mich deshalb nach dem Frühstück und den anschliessenden Tankstopp auf den Weg.

 

Die Teerstrasse endet bald in eine zu meiner Verwunderung guten Schotterpiste. Kein überflüssiger Kies, kein Sand und vor allem kein Wellblech. Super.

 

Dafür hat es mehr Verkehr als üblich. Viele 4x4 Fahrzeuge, die auf ihren Anhängern übergrossen Gummiboote mitführen und wegen der guten Piste mit einem rasanten Tempo daherkommen.

 

Das wirbelt jede Menge Staub auf, was mir die Sicht nimmt und eine beige Schicht über mich und die Honda legt.

 

Beim Eingang zum Nationalpark ist die Box für den Ticketverkauf unbewohnt und die Schranke steht offen.

 

Trotzdem halte ich und schaue mich um. Aus dem gegenüberliegenden Haus tritt eine Person und winkt mir zu, dass ich fahren kann. Das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen und rumple weiter.

 

Auf der Karte sieht es so aus, als ob die Piste nahe dem Seeufern verläuft. Das stimmt zwar, aber leider versperren mir fast immer Bäume oder dichte Sträucher die Sicht und das auf fast der ganzen Strecke.

 

Dafür durchquert die Piste einige Gebiete mit den erwähnten Zypressen, was eindrücklich ist.

 

Beim Lago Futalaufque erblicke ich eine kleine Strasse, die zum Seeufer führt. Ihr folge ich zu einem grösseren Parkplatz mit vielen Feuerstellen. Schaut so aus, als ob hier zeitweise mächtig was los ist.

Ich stelle die Honda in den Schatten und entledige mich der Motorradausrüstung. Während dessen brummt ein Motor laut auf und ein kleiner Touristenbus rollt die ausgewaschene Piste zu mir hinunter.

 

Er hält keine zwei Meter neben mir, öffnet seine Türen und heraus kommt eine buntgemischte Schar.

 

Danach folgen im Minutentakt vier weitere Autos, aus denen mindestens vier Personen aussteigen, ihre Grillutensilien aus dem Kofferraum oder Pick-up ausladen und die Feuerstellen belegen.

 

Und zur Krönung der ganzen Szene kreuzt jetzt tatsächlich ein grosser Bus auf, der sich ebenfalls die Strasse heruntergetraut und zwei Schulklassen aus dem Inneren hervorbringt.

 

Unglaublich, wie sich ein Ort der Stille innert 20 Minuten zu einem Rummelplatz verwandelt und das in einem Gebiet, wo lediglich Schotterpisten hinführen.

 

Mich hält es deshalb nicht allzu lange hier und fahre weiter.

 

Noch mehr staune ich, als einiges später eine Bachdurchfahrt folgt, welche beide Touristenbusse ebenfalls passieren mussten.

 

Die später erscheinende Baustellentafel lässt mich nichts gutes Erahnen. Ich liege jedoch falsch mit meine Befürchtungen und eine frisch geteerte Strasse erscheint.

 

Das ist also der Grund, weshalb sich die Busse von dieser Seite in den Park getrauen.

 

Zur Ortschaft Esquel, wo ich ein kleines Appartement für die nächsten Tage gemietet habe, gelange ich wegen der geteerten Strasse etliches früher als geplant und verbringe den angebrochenen Nachmittag mit relaxen im Garten der Anlage.


Die ersten viertausend Kilometern liegen hinter mit und der Honda. Dazwischen lagen einige harte und verstaubte Pisten. Deshalb ist es an der Zeit, dass ich einige Teile an der Maschine prüfe.

 

Als erstes baue ich den Luftfilter aus. Dabei beobachtet mich mein Gastgeber und gesellt sich zu mir. Wir diskutieren ein wenige über Motorräder, er hatte natürlich früher auch mal eines, und bietet mir an, dass ich die Honda auf seinem Parkplatz putzen kann. Er bringt mir dazu einen Lappen und Wasserschlauch. Mega freundlich.

 

Der Luftfilter hat die Reinigung nötig und bald darauf trocknet er im neuen Glanz an der Sonne.

 

Ich schraube die restliche Verkleidung plus den Motorschutz ab und kontrolliere den Sitz der wichtigsten Schrauben, die Steckverbindungen der Verkabelungen, die Schläuche des Kühl- und Ölkreislaufes auf Defekte, der Sitz der Speichen, die Ritzel und Kette und die Bremsbeläge.

Alles bestens.

 

Der Luftfilter ist mittlerweile trocken und bereit zum Einölen. Wieder eingebaut, folgt der Rest der Verkleidung und der Motorschutz. Danach bekommt die Honda ihre wohlverdiente Dusche.

 

Anschliessen schlürfe ich zusammen mit meinem Gastgeber einen Kaffee im Garten, wobei er mein geschwollenes Gelenkt und blau angelaufene Zehen sieht.

 

Er fragt, was passiert ist. Danach verschwindet er kurz und kommt mit einem Eisbeutel und einer Salbe zurück, die er bei seinen vielen Klettertouren schätzen gelernt hat. Dabei zeigt er mir seine Knieverletzungen und erzählt von allerlei Verstauchungen, die er sich zugezogen hat.

 

Einmal mehr komme ich in den Genuss der argentinischen Hilfsbereitschaft.



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