Motorradreise Patagonien nach Alaska, Bolivien, Chile, Vulkan Parinacota, Honda CRF 300L

Vulkane und Grossstadtdschungel

Das sonnige, warme Wüstenwetter behält mich einen weiteren Tag in Arica. Besondere Sehenswürdigkeiten bietet die Stadt nicht, weshalb ich in der angenehmen Unterkunft relaxe und abends auf der Dachterrasse den Tag ausklingen lasse.

 

Beim Frühstück erklärt mir der Gastgeber, dass er und seine Frau auf eine Tagessegeltour eingeladen sind und ich abfahren könne, wann ich wolle. Da es keine weiteren Gäste hat, zeigt er mir, wie ich das Haus und die Garage abschliessen muss.

 

Danach verabschiedet er sich und seine Frau und überlässt mir quasi das Hostal.

 

Etwas paradox, weil er mir so viel Vertrauen entgegenbringt, jedoch seiner Umgebung überhaupt nicht, da ich beim Verlassen des Hauses die Haustüre, die Garagentüre und das Tor des Eisengitterzaunes, welcher rund um das Haus verläuft, abschliessen muss, damit niemand einbrechen kann.

 

Als alles verschlossen ist, brause ich los und fülle bei der nächsten Tankstelle meine Benzinvorräte auf, bevor ich in die Wüste hinausfahre.

 

Ich folge einige Kilometer dem riesigen, ausgetrockneten Rio San Jose Flussbett, bis die Strasse nach links aus der breiten Schlucht hinausführt.

 

Einmal mehr ergeben sich dadurch Aus- und Weitblicke in die ewig braune Wüstenwelt.

 

Mein heutiges Ziel in das Bergdorf Putre auf 3'500 Meter. Von hier starten viele Touren in den Nationalpark Lauca, in dem der bilderbuchmässig aussehende Vulkan Parinacota und einer höchsten Seen der Welt, die Laguna Chungara auf 4'500 Meter.

 

Bevor mich jedoch meine Route in die Anden bringt, tauche ich erneut in ein grosses Tal ein, in welchem der Rio Lluta mit seinem Wasser landwirtschaftlicher Anbau ermöglicht.

 

Danach geht es steil hinauf ins Gebirge, wo der Nebel alsbald der Sonne einen Riegel vorschiebt und die Temperaturen drastisch fallen lässt. Zeit mir eine erste Schicht zusätzlicher Kleider überzuziehen.

 

Je höher ich steige, umso grüner wird die Landschaft und bald deutet nichts mehr darauf hin, dass die trockenste Wüste der Welt lediglich einen grossen Steinwurf entfernt liegt.

 

Der Nebel geht und kommt und leider genau beim Bergdorf Socoroma graut er wieder alles ein.

Von den grünen Terrassen, wo gemäss Reiseführer Obst und Gemüse wie vor tausenden von Jahren angepflanzt wird, sehe ich deshalb leider nichts.

 

Als ich oberhalb von Putre ankomme, zeigt der Himmel jedoch Gnade und gibt den Blick frei auf das Dorf.

 

Bald darauf steure ich die Enduro über die Steinstrasse ins Dorf hinein und halte vor meiner Unterkunft, wo sogleich die Türe aufgeht und ich von der Gastgeberin begrüsst werde.

 

Eine Stunde später schlendere ich durch das Dorf und begegne niemanden. Schon fast ein wenig gespenstisch.

 

Es gibt drei Restaurants im Dorfkern, wovon Eines offene Türen hat. Ich trete ein und frage, ob ich was essen kann. Ich höre ein Si und setze mich.

 

Ausser mir ist niemand sonst anwesend und so werde ich gleich bedient. Speisekarte ist überflüssig, weil es einfach ein Menü gibt. Gemüsesuppe und ein halbes Huhn mit Pommes Frites.

 

Keine fünf Minuten später dampft die Suppe vor mir und ich bin froh um etwas Warmes, weil die Temperaturen mittlerweile noch um die fünf Grad sind und es weder im Restaurant noch in der Unterkunft eine Heizung hat.

 

Gerade als mein Huhn herangetragen wird, betritt ein weitere Tourist das Restaurant. Er setzt sich an den gegenüberliegenden Tisch und grüsst mich. Ich frage, ob er Englisch spricht, wobei er nickt und meint Englisch oder Deutsch.

 

Noch besser und ich lade in an meinen Tisch ein.

 

Sein Name ist Franz aus Bayern und er ist Bergsteiger. Sein Ziel ist die Besteigung des 6'000 Meter hohen Vulkans Parinacota im Nationalpark.

 

Interessant und ich erfahre während dem Essen viel über die Vorbereitung eines Bergsteigers, der ohne Sauerstoff auf einen 6'000 Berg klettern will.

 

Franz schläft in der selben Unterkunft wie ich und so plaudern wir am nächsten Morgen beim Frühstück weiter.

 

Danach marschiert er los, da er jeden Tag während einer Woche auf 3'500 Meter Kilometer abspulen muss, damit sein Körper sich an die Höhe und Belastung gewöhnen.

 

Ich bleibe für meine Akklimatisierung an die Höhe ebenfalls eine weiteren Tag in Putre, begnüge mich jedoch auf ein paar Runden im Dorf und für eine ausgiebige Pause auf einer Bank auf dem Dorfplatz, wo ich mich in der heute scheinenden Sonne von den nächtlichen Tieftemperaturen aufwärme.


Klicke auf das jeweilige Bild für eine Bildvergrösserung und Beschreibung

Gemäss meiner Gastgeberin scheint zu dieser Jahreszeit morgens jeweils die Sonne und ab Mittag ziehen die Wolken und der Nebel auf.

 

Ich frühstücke deshalb früh, damit ich die sonnigen Morgenstunden für meine Fahrt durch den Nationalpark Lauca nutze kann.

 

Gut gepolstert durch meine Winterausrüstung starte ich die Honda und bin kurze Zeit später bereits auf 4'000 Meter.

 

Als ich um eine der vielen Kurve komme, erscheinen die beiden Gipfel der Vulkane Parinacota und Payachata, deren schneebedeckten Gipfel in der Sonne glitzern.

 

Die Strasse fällt langsam wieder etwas ab und verläuft durch das Feuchtgebiet Bofedal de Parinacote, über welchem dichten Nebel liegt.

 

Es dauert nicht lange und ich stecke mitten in dieser Suppe und sehe vorerst nicht mehr viel. Jedoch steigt die Strecke bald wie an und die Sonne drückt mehr und mehr durch die Nebelsuppe hindurch.

 

Zwischen den Nebelschwaden erkenne ich unzählige Vicunas und Lamas, für die das Feuchtgebiet ein idealer Futterplatz ist.

 

Beim Aussichtspunkt über die Laguna Cotacotani lege ich einen ersten Stopp und ein. Die Lagune besteht aus mehreren Seen und vulkanischen Insel.

 

Und dann gelange ich zur Laguna Chungara, die auf 4'500 Meter liegt. Mit dem dahinter liegenden Vulkan Parinacota ist sie das Highlight des Nationalparks und zieht normalerweise tausende von Besuchern jedes Jahr an.

 

Von diesen ist heute niemand da und ich bin auf jedem Aussichtspunkt entlang der Lagune allein, was ich natürlich geniesse.

 

Durch das frühe Losfahren habe ich viel Zeit und bleibe über eine Stunde bei der Lagune und bestaune die Landschaft.

 

Einige Kilometer nach der Laguna ist die Grenze zwischen Chile und Bolivien. Ich passiere zuerst den Chilenischen Zoll, wo lediglich die Ausreise aus Bolivien und Einreise nach Chile abgefertigt wird.

 

Ich muss noch einige Kilometer weiterfahren und dabei dutzende von Lastwagen überholen, bis ich am Zollgebäude für die Ausreise aus Chile und Einreise nach Bolivien ankomme.

 

Als ich am Zollgebäude anhalte, winkt mir ein Grenzwächter zu und sagt mir, dass ich mein Motorrad bei ihm abstellen kann. Schöner Service.

 

Im Zollgebäude ist weniger los, als ich befürchtet habe und nachdem ich den Laufzettel, auf welchem jeder Schalter seinen Stempel draufknallt als Bezeugung, dass ich dort war, erfolgen bereits die Ausreiseformalitäten für Chile.

 

Fünf Minuten später stempelt mich die bolivianische Zollbeamtin bereits in ihrem Land ein und schickt mich zum Schalter für die temporäre Einfuhr meiner Honda.

 

Auch hier ist sofort eine Beamtin zur Stelle und will mit mir die Honda besichtigen. Wir gehen raus und sie kontrolliert die Rahmennummer und mein Kennzeichen.

 

Beim Zurückgehen frage ich sie, ob ich eine Genehmigung für 90 Tage bekommen kann. Sie nickt und zehn Minuten später starte ich bereits wieder den Motor und bewege mich zum Tor, wo ich den Laufzettel abgeben muss.

 

Das war mit Abstand die bisher schnellste Zollabfertigung.

 

Ohne Geld bekommt man bekanntlich nichts, weshalb ich bei den Häuser nach dem Zoll anhalte und frage, ob ich irgendwo Geld wechseln kann.

 

Auch das verläuft ohne Probleme und ich kann US$ 100.00 in Bolivanos umtauschen und erst noch zu einem guten Kurs.

 

Wieder auf der Honda zieht mich sogleich der Vulkan Sajama in seinen Bann. Er ist mit seinen 6'500 Metern der höchste Berg von Bolivien.

 

Er thront im gleichnamigen Nationalpark und wird mich die nächsten 100km im Rückspiegel begleiten.

 

In Patacamay, der ersten grösseren Ortschaft nach der Grenze halte ich bei der Tankstelle für Benzinnachschub. 

 

In Bolivien wird das Benzin stark subventioniert und der Liter Treibstoff kostet lediglich 50 Rappen. In den letzten Jahren ist dadurch ein Benzintourismus aus Argentinien, Chile und Peru entstanden, wo das Benzin viel teurer ist.

 

Die bolivianische Regierung beschloss deshalb, dass für ausländische Fahrzeuge der Benzinpreis bei CHF 1.50 liegt.

 

Das wäre problemlos umsetzbar, wenn da nicht die bürokratischen Hürden für die Tankwarte wäre.

 

Sie müssen nämlich für den Verkauf an Touristen extra Daten im System erfassen, was viele nicht gerne machen.

 

Es kann daher passieren, dass die Mitarbeitenden sagen, sie hätten kein Benzin oder das System funktioniere nicht, weil sie keine Lust auf den Bürokram haben.

 

Es gibt aber ein paar Tricks, wie man anscheinend immer Benzin bekommt und erst noch zu einem günstigeren Preis.

 

Entweder stellt man sich mit einem Benzinkanister an, weshalb dann kein Fahrzeug mit ausländischer Nummer da ist oder erwähnt, dass man kein Quittung will, wodurch die Tankwarte nichts im System erfassen müssen.

 

Mit diesem Wissen stelle ich mich mit meiner Benzinblase an. Die Tankwartin fragt mich nach meinen Papieren, worauf ich einfach antworte, dass ich lediglich 5 Liter Benzin brauche.

 

Sie nickt, füllt mir die 5 Liter rein und verlangt 30 Bolivanos dafür. Pro Liter also 6 BOL. Für mich 3 BOL billiger und für die Tankwartin 3 BOL pro Liter, die sie in die eigene Tasche stecken kann, da für das System der Verkauf meines Benzins wie für Einheimischen erfasst ist.

 

So wird in Bolivien das Tanken interessant, da ich nie weiss, wie es laufen wird.

 

Danach sause ich auf einer recht gut ausgebauten Hauptverkehrsachse in Richtung La Paz.

 

Unterbrochen wird meine Fahrt lediglich durch Check-Points der Polizei und Zahlstellen für die Strassen Nutzung.

 

Bei beiden werde ich als Motorradfahrer jedoch ohne Fragen oder Gebühr durchgewunken.

 

Je näher ich der Stadt komme, je dichter und chaotischer wird der Verkehr. Vor allem auf die Minibusse, die ohne Vorwarnung auf der rechten Spur anhalten und losfahren, muss ich aufpassen.

 

Mein Hotel liegt im 500 Meter tieferen Talkessel, weshalb meine Strecke über steile, kurvenreiche Strassen und grossartigen Ausblicke auf La Paz in die Tiefe führt.


Die offizielle Stadt La Paz liegt in einem Talkessel auf 3'500 Meter.

 

Auf dem auf 4'000 Meter liegende Plateau oberhalb der Stadt befindet sich El Alto, die eigentlich die grösste Stadt von Bolivien ist und nicht La Paz. Hier liegt auch der Flughafen.

 

Als Besucher sind die beiden Städte nicht auseinanderzuhalten, weil die gesamte Hügelkette hinauf zum Plateau mit Häusern verbaut ist. Das betrifft ebenfalls alle anderen Hügel rings um La Paz.

 

Das verleiht La Paz ein einmaliges, unvergessliches Flair.

 

Der Höhenunterschied zwischen den verschiedenen Bezirken ist gewaltig. Vom südlichsten Punkt der Stadt bis hinauf zu El Alto sind es knapp 1'000 Höhenmeter.

 

Zwischen den Höhenunterschieden der Stadteile und dem sozialen Status der Bevölkerung besteht eine Beziehung. Je höher, je ärmer.

 

Der Verkehr ist der Stadt ist geprägt von tausenden von Minibussen, mit denen alle Stadtteile und Aussenbezirke erschlossen sind.

 

Diese Minibusse verstopfen jedoch die Strassen ungemein und tragen viel zum Verkehrschaos bei.

 

Eine weitere Besonderheit von La Paz sind die neun Luftseilbahnlinien, die seit 2014 das Vorwärtskommen in der Stadt zwischen den wichtigsten Stadteilen stark erleichtern.

 

Die Preise pro Fahrt sind mit 3 BOL (40 Rappen) für die lokale Bevölkerung erschwinglich, wodurch jährlich an die 300'000 Personen die Luftseilbahnen nutzen.

 

Für uns Touristen sind diese Bahnen ebenfalls ein Highlight und für mich der Grund, wieso ich die Stadt nochmals besuche, obwohl ich vor 20 Jahren schon einmal als Rucksacktourist mehrere Tage hier war.

 

Die beiden Deutschen Motorradfahrer Henning und Mang, die ich in Salta / Argentinien das letzte Mal getroffen haben, sind ebenfalls in der Stadt.

 

Sie haben über Bekannte eine Adresse zu einem deutschsprachigen Guide für eine Stadtführung bekommen und für heute eine Tour gebucht.

 

Ich schliesse mich der Gruppe gerne an und treffe sie um 10.30 Uhr bei der Station der Lila Luftseilbahn.

 

Unser Guide heisst Gerd und er wohnt seit 42 Jahren in La Paz und hat dadurch ein umfangreiches Wissen über die Stadt und Bolivien.

 

Als Erstes gondeln wir in luftiger Höhe nach El Alto hoch, wobei ich beim Einsteigen das Gefühl habe auf einer Skistation bei uns in der Schweiz zu sein. Die Gondelbahn von der österreichischen Firma sieht nämlich genau so aus. Lediglich die Vorrichtung für die Skis fehlen.

 

Die Ausblicke von der Gondel auf die Stadt ist einmalig und Gerd meint, dass auch für ihn jede Fahrt immer noch etwas spezielles sei.

Oben angekommen, laufen wir über die Strasse, wo ein schmaler Turm steht. Gerd kennt die Wächterin dieses Aussichtsturmes, wodurch wir hinauf können.

 

Oben angekommen, schleicht sich ein mulmiges Gefühl bei uns ein, ob der Turm robust genug für uns vier ist. Die grossartige Sicht lassen diese Gedanken jedoch schnell verschwinden

 

Die anschliessende Fahrt mit der grünen Bahn bringt uns in die Nähe des Schamanenmarktes in El Alto.

 

Nach einem kurzen Fussmarsch sind wir mitten in den Markständen, die allerlei Artikel für eine Schamanensitzung verkaufen oder für eine Huldigung von Pachamama, die Mutter der Erde.

 

Darunter gehören auch die Lama Embryos, die zum Beispiel bei einem Bau eines neuen Hauses in der Erde als Huldigung von Pachamama vergraben werden.

 

Auf der gegenüberliegenden Seite der Markstände sind die Schamanen in ihren kleinen Häuschen. Auf Werbetafeln steht, zu welchen Themen im Leben eines Menschen eine Schamanensitzung abgehalten werden kann.

 

Unweit des Marktes steht eine katholische Kirche, das Gegenstück zum Schamanentum und Panchamama. Wobei dies hier nicht zutrifft, weil die Bevölkerung beide Glaubenswelten miteinander vereint.

 

Wir schaukeln weiter über die Stadt und besuchen verschiedene Stadtteile und erfahren dabei viel von Gerd über die Stadtentwicklung und die politische Situation in Bolivien.

 

Als uns der Hunger plagt, setzen wir uns in kleines Lokal, welches Gerd kennt, und bestellen Saltenas, die bolivianische Variante der Empanadas.

 

Die Taschen aus Maismehl sind gefüllt mit Huhn, Rind oder Schwein plus Kartoffeln, Bohnen und Karotten. Die Taschen sind saftig, weshalb das Essen, ohne zu kleckern, eine kleine Herausforderung ist.

 

Danach besuchen wir den Plaza Murillo, wo die alten und neuen Gebäude des Parlaments und des Präsidenten stehen.

 

Auf dem Platz ist immer viel los und oft sitzen Interessenvertreter verschiedener Gruppen, wie zum Beispiel der Coca Bauern oder Minenarbeiter, hier und warten auf einen Bescheid vom Parlament auf ein Anliegen, welches sie unter Protest auf der Strasse vorgebracht haben.

 

Auch heute finden in der Stadt Demonstrationszüge der Lehrer statt, weil das Schulministerium eine Änderung im Geschichtsunterricht beschlossen hat, mit welchem die Lehrerschaft nicht einverstanden ist.

 

Nach einem informativen Tag verabschieden wir uns von Gerd bei einem Umtrunk und bedanken uns für die grossartige Führung.

 

Etwas später liege ich müde auf dem Bett und merke, dass die vielen Treppen und Fusswege in dieser Höhe einiges anstrengender sind als gewohnt.



Route und Downloads

Download
Track Vulkane und Grossstadtdschungel.gp
XML Dokument 1.1 MB
Download
POI Vulkane und Grossstadtdschungel.gpx
XML Dokument 19.3 KB