Mit dem Motorrad nach Marokko, Dades Schlucht, Suzuki DRZ400S

Tiefe Schluchten und hohe Atlas Pässe

Die letzten zwei Nächte waren seit langen wieder einmal ruhig. Keine Haus- oder Nutzungstiere, die herumjaulten oder bellten, keine anderen Gäste, die rumquatschten oder Türen zuschlugen, kein Verkehr und kein Muezzin, der bei Sonnenaufgang um 06.30 Uhr zum Gebet ruft.

 

Folglich sitze ich ausgeruht im Garten meiner Unterkunft, erfreue mich der Aussicht auf den grünen Palmenwald und futtere das leckere Frühstück radiputz weg.

 

Beim Packen der Enduro steigt meine Vorfreude und Spannung auf die heutige Strecke durch die Todra- und Dadesschluchten und die Schotterstrassenverbindung zwischen den beiden Tälern.

 

Über diese Holperpiste kursieren einige Berichte, die von schwierigen Passagen durch Flussbette erzählen und von steilen, schrägabfallenden und kaum autobreiten Abschnitten bis zur Passhöhe auf 2'600 Meter.

 

Es könnte also ein Tag mit Überraschungen werden, was allerdings bei jeder Strecke über Schotterpisten der Fall ist.

 

Soeben gestartet halte ich bereits bei einem ersten Aussichtspunkt, um nochmals den Farbenkontrast der grünen Palmen, roten-braunen Lehmhäusern und braun-roten Felsen aufzusaugen.

 

Dabei spricht mich einer der Händler an, die überall auf der Strecke bei den Touristenspots ihre Produkte verkaufen. Er spricht gut Englisch und zeigt keine Verkaufsabsichten, weshalb ich mich gerne ein wenig mit ihm unterhalte.

 

Interessant, was ich bei solchen Gesprächen über das Leben in Marokko erfahre. Leider ergeben sich derartige Begegnungen viel zu selten, weil mehrheitlich immer das Geld im Vordergrund steht, wenn mich jemand anspricht.

 

Ich setzte meine Fahrt fort und erreiche bald den engsten Punkt der Todra Schlucht. Links und rechts ziehen sich die Felswände bis zu 300 Meter hoch, wogegen bei uns unten die Schlucht lediglich einige Meter breit ist.

 

Würde der Fluss mehr Wasser führen, wäre die Strasse unpassierbar, so nahe verlaufen Fluss und Strasse zueinander.

 

So eindrücklich dieser Abschnitt ist, so touristisch wird er genutzt. Entlang der Strasse säumen sich die Verkaufsstände und im Flussbett packen Klein- und Grossfamilien ihr mitgebrachtes Picknick aus und feiern lautstark. Dazwischen zwängen sich die Touristenbusse und Gruppen durch die Schlucht.

 

Ich halte an einer freien Stelle und werde sogleich von einem Händler angegangen, noch bevor ich den Motor abstellen kann.

 

Kaum bin ich in los, bestürmt mich schon der Nächste. Sogar während ich ein Foto schiesse, versucht ein Jugendlicher mir seine angeblich in der Schlucht gefundenen Fossilien zu verkaufen.

 

Das nervt, weshalb ich weiterfahre.

 

Bis zur Querverbindung zur Dades Schlucht sind es weitere 40 Km, die im Gegensatz zur Jahrmarkstimmung im engsten Teil der Schlucht stehen nur von wenige Leute anziehen.

 

Erstaunt passiere weiter oben im Tal etwas später eine grosse Staudammbaustelle, die den Todra Fluss stauen soll.

Nur hat es weit und breit kein Wasser, weshalb die Mauer umhüllt von einer riesigen Staubwolke durch die Bauarbeiten deplatziert in der Landschaft steht.

 

Und auch an der Schotterstrasse, die mich in die Dades Tal bringt, wird tatkräftig gebaut. Davon hat mich bereits der Gästehausinhaber erzählt. Anscheinend soll die Verbindung für touristische Zwecke genutzt werden, damit die Touristen schneller von einer Schlucht in die andere kommen.

 

Zu meinen Gunsten haben die Arbeiten erst kürzlich begonnen, weshalb ich bald auf der Originalstrecke dahin holpere.

 

Es wird ruhig und einsam. Denke ich jedenfalls, bis ich bei meinem ersten Stopp von einer Nomadenfrau, die aus dem Nichts aufzutauchen scheint, ziemlich energisch angegangen werde für Geld oder wenigsten etwas von meinem Gepäck.

 

Weil sie merkt, dass ich ihre Sprache nicht verstehe, fängt sie an alles anzufassen, damit ihr verstehe, was sie meint.

 

Das nervt mich erneut und ich brause schnell davon. Schnell, weil mittlerweile eine zweite Nomadin dazugekommen ist und mir nun beide nachrennen.

 

Einige Zeit später zirkle ich die Enduro in das besagte Flussbett und folge dem gut sichtbaren Track durch das Geröll.

 

Ich halte erneut und schiesse ein Foto. Durch den Apparat sehe ich den Nomaden, der hinter der vor mir liegenden Kurve hervorkommt.

 

Nicht schon wieder, denke ich mir, was nichts nützt, den auch er will mir einen seiner schwarzen Steine, die er aus seiner Tasche holt, verkaufen. Ich winke freundlich ab, wodurch er mit einer klaren Handbewegung einfach Geld verlangt.

 

Meine Stimmung verdunkelt sich, weshalb ich meinen Helm aufsetzte und weiterfahre und vor mich hin fluche. Das kann es echt nicht sein, wenn sogar die Nomaden hier draussen nur darauf warten, bis ein Tourist vorbeifährt, um an Geld zu kommen. Wobei es nicht der Fehler der Nomaden ist, sondern der Touristen, die oft einfach Geld oder andere Dinge wahllos verteilen.

 

Auf der weiteren Fahrt begegne ich lediglich einer weitere Nomadenfamilie, die mit ihren Lasteneseln auf der Schotterpiste unterwegs ist. Sie lassen mich passieren und grüssen freundlich. Es geht also auch anders.

 

Positiv ist die unberührte Landschaft und dass ich mit meiner leichten Enduro die Strecke problemlos fahren kann.

 

Die Dades Schlucht ist bekannt wegen den Haarnadelkurven, die an einer engen Stelle an der steilen Felswand entlangverlaufen.

 

Natürlich hat die Schlucht noch anderes zu bieten, wie zum Beispiel den Blick in den tiefen Talkessel, wo der Fluss in einer grossen Schlaufe seinen Weg bahnt. An beiden Orten lege ich eine Pause ein und kann für einmal die Aussicht ruhig auskosten.

 

Mein Fahrtag endet später in der selben Unterkunft, wo ich bereits vor vier Tagen genächtigt habe. Der Inhaber freut sich offensichtlich, als er mich sieht und quatscht ein wenig mit mir beim anschliessenden obligaten Te Arab.


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Der anbrechende Tag ist mein letzter auf dieser Seite des Atlas Gebirges.

 

Eine weitere Fahrt durch die Dades Schlucht bringt mich zur Schotterpiste über den Tizi n’Bou Oudi Pass, dessen Höhe auf 2'940 liegt. Jedenfalls zeigt dies mein Navigationsgerät heute Nachmittag an, ganz im Gegensatz zu Google oder anderen Internetseiten, die lediglich eine Höhe von 2'600 Meter angeben.

 

Mein Gastgeber empfiehlt mir eine Alternativstrecke über das Valley of Roses und ab dort über eine Piste in die Schlucht.

 

Bald darauf steuere ich die Suzuki auf dieser Piste durch ein weiteres dünnbesiedeltes Gebiet und stehe einige Kilometer später oberhalb des Tales mit Blick auf eine gut erhaltene Kasbah. Die Route hat sich gelohnt, obwohl sie rumpliger war, als der Gastgeber es erwähnte.

 

Wie üblich hat es morgens bis 10.00 Uhr wenig Verkehr, was auch hier der Fall ist. Das ermöglicht mir einer geruhsamen Fahrt durch die schöne Landschaft.

 

Bei den Serpentinen stoppe ich erneut für einen letzten Blick zurück.

 

Etliche Kurven später taucht vor mir eine fahrradfahrende Person auf, die in die gleiche Richtung fährt, wie ich. Und siehe da, es ist die Französin, die im Paradise Valley im selben Hotel war wie ich.

 

Wir halten an und vereinbaren einen Kaffeestopp im nächsten Dorf. Kurz darauf sitzen wir auf einer Terrasse und tauschen unsere Erlebnisse der letzten drei Wochen aus.

 

Eine Stunde später geht es für mich weiter, liegt doch noch der hohe Atlaspass vor mir.

 

In gewohnter Manier meldet sich die Schotterstrasse mit einem Rütteln an meinem Lenker an, um etwas später mit steilen Kurven in die Höhe zu steigen.

 

Nach der vierten Kehre sehe ich vor mir zwei Motorräder. Das Erste bezwingt die nächste Haarnadelkurve, während das Hintere stehen bleibt.

 

Ich schliesse auf und erkenne das Schweizer Kennzeichen aus dem Kanton Schwyz. Natürlich halte ich an und begrüsse die Fahrerin.

 

Sie grüsst mit einem angespannten Gesichtsausdruck zurück, worauf ich sie frage, ob alles in Ordnung ist, was sie verneint, weil sie mit der Piste und den engen Kurven überfordert ist.

Währenddessen stoppt das fordere Motorrad oberhalb der Kurve und der Fahrer läuft zu uns zurück.

 

Es stellt sich heraus, dass er ihr Motorrad jeweils durch die engen Kurven fährt und sie sich so langsam den Pass hinaufarbeiten.

 

Weil es ins nächste Dorf noch über 40km sind, offeriere ich ihnen meine Hilfe, indem ich ihnen vorschlage, dass wir zu dritt fahren und uns abwechseln.

 

Beide lehnen ab und sind der Meinung, dass sie es schaffen, eben einfach langsam. Zudem hätten sie ein Zelt dabei und könnten jederzeit am Wegrand übernachten.

 

Mich aufzudrängen liegt mir fern und ich rumple deshalb weiter.

 

Weit oben an einer Stelle mit Ausblick auf die Piste halte ich. Und es geht gar nicht lange, bis die beiden weiter unten erscheinen. Läuft besser für sie, als ich es befürchtete.

 

Unterhalb der Passhöhe erblicke ich erneut zwei Motorräder, die mir diese Mal entgegenkommen.

 

Es sind zwei Franzosen mit schweren BMW-Motorrädern, die eher auf die Teerstrasse als auf eine Schotterpiste wie diese gehören.

 

Der Vordere ist recht entspannt und quatscht ein wenig mit mir, wogegen der Nachkommende ohne zu Grüssen mit einem starren Gesichtsausdruck auf der Maschine sitzt. Wenn das nur gut geht, denke ich mir und kurve weiter zur Passhöhe.

 

Die Strecke ins Tal entpuppt sich leider als qualvolle Baustellenfahrt, weil auch diese Schotterpiste aufgrund der Tourismusförderung geteert und für Touristenbusse ausgebaut wird.

 

Verstaubt biege ich in den Parkplatz meiner Unterkunft ein und klopfe meine Motorradklamotten zuerst einmal kräftig durch.

 

Einmal mehr bin ich der einzige Gast, weshalb der Hotelmitarbeiter Zeit hat und sich beim Nachtessen zu mir setzt und wir etwas plaudern.

 

Dabei zeigt er mir seinen Schlüsselanhänger mit Schweizer Kreuz und Edelweiss und erzählt mir voller Stolz von seiner Schweizer Freundin aus Genf und dass er mit ihr hoffentlich bald ein eigenes Hotel im Dorf aufbauen kann.


Die Ortschaft Midelt liegt in den Ausläufern des mittleren und hohen Atlas und befindet sich 800 Höhenmeter tiefer als meine Bergunterkunft in Agoudal auf 2'200 Metern.

 

Eine offizielle Tankstelle gibt es weder im Bergdorf noch auf der gesamten Strecke, die ich fahren möchte. Ich frage deshalb den Hotelmitarbeiter, ob er wisse, wo ich Benzin erhalte. Er nickt, besteigt seinen Roller und bringt mich zum Dorfladen, der Benzin aus dem Kanister anbietet.  

 

Ich füttere die Enduro mit vier Litern, die mir der Shop Besitzer zu einem überhöhten Preis verkauft. Für mich aber immer noch billiger als den Umweg in die nächstgrössere Siedlung mit Tankstelle, die 25km entfernt, abseits meiner geplanten Route liegt.

 

Auf den nächsten 140km präsentiert sich mir die Landschaft in unterschiedlichen Szenarios, die alle ihren Reiz haben.

 

Dazwischen liegen unzählige Dörfer, die geprägt sind vom Leben in der harten Bergwelt.

 

Obwohl die Strecke für mich den Anschein macht, dass sie abgelegen verläuft, werde ich in den Siedlungen durch heranrennende Kinder belagert, die nach Geld, Biskuit und Kugelschreiben schreien. Dabei muss ich aufpassen, dass sie mir nicht vor mein Motorrad springen.

 

Es fahren hier also viel mehr Touristen durch, als es für mich heute danach aussieht und den Kindern diese Dinge schenken.

Einige Siedlungen später kommen mit zwei Motorräder entgegen. Wir halten für einen kurzen Chat an, der sofort durch zwei penetrant nach Geld fragenden Jugendlichen gestört wird.

 

Unsere Abwehrreaktionen lassen sie unbeeindruckt, wodurch wir unseren Austausch bald abbrechen. Trotzdem konnte ich von ihnen erfahren, dass die vor mir liegende Schotterpassage schwierig zu befahren ist, weil der Track durch die Schlucht verschüttet sei, wodurch sich jeder seinen eigenen Weg durch eine Nebenschlucht durch das ausgetrocknete Flussbett suchen müsse.

 

Ich entschliesse mich deshalb, diesen Abschnitt zu umfahren, was für einmal problemlos möglich ist, weil die Schotterpassage keine offizielle Strassenverbindung nach Midelt ist.

 

Doch bis ich zu der Umfahrung komme, unterhält mich meine jetzige Strecke mit Schotterpassagen und einer Wasserdurchfahrt, die ich im Gegensatz zu den Einheimischen mit einem normalen PW nicht durchqueren würde.

 

In Midelt angekommen, verbringe ich den Rest des Nachmittags mit relaxen im schattigen Garten und danach bei einem Teller Spaghetti mit Tomatensauce und Parmesankäse. Eine gut schmeckende Abwechslung zur marokkanischen Küche.

 

Gesellschaft erhalte ich von drei spanischen Motorradfahrenden und einem Belgischen, der durch seine Arbeit für eine deutsche Firma perfekt Deutsch spricht.



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