Von Sarytasch nach Murgab - Tadschikistan
Tag 34 (Km 6'457)
Gespannt auf die heutige Etappe starte ich meine KTM. Ihr Motor wird auf dieser Strecke etwas gefordert werden, und meiner auch, geht es doch bis auf 4'660 Meter hoch.
Im Guesthouse in Sarytasch habe ich Jaap aus Holland getroffen. Auch er will heute nach Murgab und so entschliessen wir uns, gemeinsam zu fahren.
Die kirgisische Grenze erreichen wir auf einer passablen Teerstrasse nach 40 km. Wir sind die Einzigen und der Zöllner winkt uns ohne Wartezeit durch das erste Tor. Dann heisst es zuerst die Motorräder aus der Russischen Förderation auszuführen, das problemlos und ohne grosse Wartezeit funktioniert. Die Passkontrolle geht ebenfalls speditiv.
Auf einer miserablen Schotterstrasse fahren wir 20 km weiter durch Niemandsland bis wir den Grenzposten von Tadschikistan auf 4'330 Metern, kurz nach der Passhöhe des Kyzyl Art, erreichen. Hier oben geht mir die Luft ein wenig aus und ich bin froh, dass die Kontrolle unserer Pässe speditiv vorwärts geht und wir zur nächsten Baracke für die temporäre Einführung unserer Motorräder weitergeschickt werden. Auf halben Wege stoppt uns ein Mann im Trainingsanzug und versucht uns eine offizielle Desinfektionsbehandlung unserer Motorräder zu verkaufen. Wir verweigern die Bezahlung, anderer Reisende hatten uns bereits vor dieser korrupten Gebührenerhebung gewarnt, und geben auch nach diversen Drohungen, dass wir zurück nach Kirgistan müssten, nicht nach. Nach langem Hin und Her lässt er uns dann ohne Bezahlung durch. Gut, waren wir zu zweit.
Der Papierkram für die temporäre Einfuhr der Bikes beanspruchte den Beamten dermassen, dass wir eine Stunde warten müssen. Dazwischen schneite es doch tatsächlich ein wenig und ein kalter Wind bläst uns um die Helme, die wir wegen dem garstigen Wetter freiwillig anbehalten.
Als sich dann endlich die Schranke öffnet, wartet das Dach der Welt auf uns. Staunend fahre ich durch eine karge, mondähnliche Landschaft, die mit riesigen Bergen versehen ist. Begleitet werden wir vom chinesischen Grenzzaun, der über hunderte von Kilometern das Eindringen nach China verhindern soll.
Den höchsten Punkt des legendären Pamir Highways erreichen wir auf der Passhöhe des Ak Baital Pass auf 4'660 Metern. Dank Elektronik schafft das meine KTM problemlos. Der Maschine von Jaap, die noch einen Vergaser hat, geht dafür die Luft aus. Mit Mühe und Not schafft er es aber trotzdem hinauf. Hier oben bringt mich schon das Ab- und Aufsteigen von der Maschine ausser Atem.
Einige Kilometer später ist die Strasse geteert und in einem erfreulichen guten Zustand. So kommen wir zügig voran und sind bald in Murgab, unserem Tagesziel.
Von Murgab ins Wakhan Tal und weiter nach Korough
Tage 35 - 37 (Km 6'901)
Mein Benzintank ist leer und so stehe ich auf Empfehlung des Einheimischen meiner Unterkunft vor einem weissen Haus, in dem die beste Tankstelle der Ortschaft Murgab sein soll. Kaum habe ich den Motor abgestellt, öffnet sich eine Türe und der "Tankwart" steht vor mir. Natürlich weiss er, was ich will und kommt kurze Zeit später mit einer grossen PET-Flasche voll Benzin zurück. Auf meine Frage respektive Fingerzeichen, ob es 92 Oktane Benzin sei, nickte er. Die Frage hätte ich mir aber auch ersparen können, überprüfen kann ich es ja so oder so nicht. Also Tankdeckel auf und hoffen, dass es nicht zu fest mit irgendwelchen Stoffen vermischt wurde. Zum Glück habe ich den zusätzlichen Filter beim Tankstutzen eingebaut. Der hält zumindest alles zurück, was der Benzinpumpe und Einspritzdüse schadet.
Jaap, mein Mitfahrkollege von gestern, kehrt hier wieder um, da er in vier Tagen zurück im Norden Kirgistan sein muss. Ich bepacke die KTM und fahre weiter ins Pamirgebirge hinein. Kaum losgefahren, stoppt mich der erste Militärcheckpoint für die Kontrolle der speziellen Bewilligung für das Pamirgebirge. Alles in Ordnung und die Schranken öffnen sich.
Bei schönstem Wetter tauche ich tiefer ins Pamirgebirge ein und staune im gleicher Weise weiter, wie gestern. Einfach fantastisch diese Landschaft. Abwechselnd zeigen sich Schneeberge, braune Mondlandschaft oder ein Mix aus allem. Später rücken die Berge nach links und rechts und geben einer riesigen Ebene Platz - Das Dach der Welt.
Mein heutiges Ziel ist das abgelegene Wakhan Tal direkt an der Afghanischen Grenze, dass über eine Schotterpass erreichbar ist. So biege ich vom Pamir Hightway ab und werde gleich durch eine harte Wellblechpiste durchgeschüttelt. In diesem Stil geht es dann über 100 km und über den Pass weiter. Wellblech wechselt sich mit Sand, Kies und groben Steinen ab.
Hinter der Passhöhe sehe ich dann die ersten afghanischen Schneeberge. Langsam bewege ich mich ins Tal zum Grenzfluss Pandsch. In diesem abgeschiedenen Gebiet stoppt mich der nächste Militärposten. Da hier pro Tag höchstens ein paar Touristen durchkommen, sind die Soldaten in der weiter entfernten Kleinkaserne und brauchen längere Zeit, bis sie bei mir an der verschlossenen Schranke sind. Zeit für eine kleine Pause.
Die Strecke folgt nun dem Grenzfluss. Teilweise ist der Fluss so schmal, dass ich locker einen Stein nach Afghanistan werfen könnte. Kümmern würde das niemanden, weil dies nur für meine westlich geprägte Vorstellung vom gefährlichen Afghanistan etwas Besonderes wäre. Ich werfe aber trotzdem einen rüber.
Die Streckenführung wird durch die Verengung der Berge spektakulärer und die Abhänge neben der Strasse tiefer. Ich und ein Auto hätten da an manchen Stellen keinen Platz gehabt. Ausser drei Schweizer Fahrradfahrer und ein Jeep aus Monaco wollte aber niemand in die andere Richtung.
Dann endlich sehe ich weit unten das Wakhan Tal, dass im krassen Gegensatz zur kargen Berglandschaft sehr grün ist. Über vier stark abfallende Haarnadelkurven zirkle ich ins Tal zur Siedlung Lagar, wo ich in einem Gästehaus ein Zimmer und Nachtessen bekomme.
Durch die Abgeschiedenheit leben die Menschen hier sehr einfach und so sind auch die Gästehäuser. Eine warme Dusche, Strom oder üppiges Essen gibt es hier selten. Dafür sind die Leute sehr freundlich und aufgeschlossen gegenüber mir als Fremder.
Am nächsten Tag fahre ich zu einer heissen Quelle, die 350 Höhenmeter über dem Tal liegt. Die Auffahrt ist zwar steil und schmal dafür die Aussicht fantastisch. Bei der Quelle gibt es ein Badehaus für Männer und Frauen. Dieses Angebot wird durch viele Einheimische rege genutzt, die nicht selten den Weg vom Tal hinauf zur Quelle zu Fuss zurücklegen.
Die nächsten 180 km führt die mehrheitlich schlechte Strasse weiter dem Grenzfluss entlang bis nach Korough, der grössten Stadt im Pamirgebirge. Dabei fällt mir auf, wie viele Leute zu Fuss zwischen den einzelnen Siedlungen unterwegs sind. Ein Auto ist hier für die Mehrheit der Menschen nicht erschwinglich und öffentliche Kleibusse verkehren nur wenige. So versuchen immer wieder Menschen mich mit Handzeichen anzuhalten, um mitfahren zu können. Leider geht das wegen meinem Gepäck nicht, was dann bei meiner entsprechenden Handbewegung auf mein Gepäck jeweils mit einem Lachen beantwortet wird.
Auffallend ist, dass es auf der ganzen Strecke nur eine Brücke hinüber nach Afghanistan gibt, die durch das Militär gesichert wird. Grossen Grenzverkehr zwischen den beiden Ländern scheint es also nicht zu geben, was nicht verwundert, benötigen doch gemäss der Auskunft eines Einheimischen auch sie eine Sonderbewilligung für den Besuch der anderen Flussseite.
Von Korough nach Kalaikhum
Tage 38 - 39 (Km 7'143)
Ich bin im Pamir Lodge Hostel in Korough als die Meldung reinkommt, dass ein Anschlag auf eine Fahrradgruppe auf der Südroute von Dushanbe nach Korough verübt wurde. Das Hostel ist voll mit Fahrradfahrern aus aller Welt, die diese Route erst kürzlich gefahren sind. Die Betroffenheit vieler ist deshalb noch grösser als üblich.
Dann gibt es hier noch zwei junge Schweizer, die unbedingt über Afghanistan nach Pakistan reisen wollen und seit Tagen versuchen ein Visum für Afghanistan zu erhalten. Die Gefährlichkeit einer solchen Reise interessiert sie nicht. Ganz im Gegenteil, sie finden es eine Herausforderung. Da kann ich für Sie nur hoffen, dass sie das Visum nicht erhalten.
Spät am Abend treffen auch noch zwei Motorradfahrer aus Holland und Australien ein, die sich über Facebook kennengelernt haben und eine länger Strecke zusammen fahren. Ihre heutige Fahrt war wohl etwas zu schnell über die miserablen Strassen. Bei der Maschine des Holländers ist der hintere Stossdämpfer kaputt gegangen und beim Australier ist die doch recht massive Halterung der Navigationsgeräte gebrochen. Es werden nicht die Letzten sein, die ich in den kommenden zwei Tagen mit ähnlichen Schäden treffen werde.
Am kommenden Tag bin ich früh wach und bestelle gleich mein Frühstück. Da ich der Erste bin, geht das recht schnell und so verlasse ich Korough bereits eine Stunde später. Die heutige Etappe verläuft permanent dem Grenzfluss zwischen Tadschikistan und Afghanistan entlang und sollte eigentlich geteert sein. Das war sie auch einmal vor ca. 25 Jahren. Seither wurden keine oder nur geringfügige Unterhaltsarbeiten getätigt. Entsprechend ist die Strecke mit Löchern und verfallenem Belag übersäht. Ich muss daher mein Tempo stark drosseln, um nicht die gleichen Schäden, wie die beiden Motorradfahrern von gestern zu provozieren.
Ziemlich müde komme ich am Abend in Kailakhum an. Leider ist mein angepeiltes Hotel ausgebucht. Eine italienische Reisegruppe hat es in Beschlag genommen. Der Chef des Hauses hat aber schnell eine Lösung gefunden und quartiert mich ein Haus weiter bei seinen Eltern ein, die wie durch Zufall auch ein Guesthaus führen.
Das Nachtessen bekomme ich trotzdem im ausgebuchten Hotel und treffe dabei einen Schweizer, der seit knapp einem Jahr zu Fuss nach China unterwegs ist und drei belgische Reisende, die mit einem Führer Tadschikistan erkunden. Immer wieder spannend, was für Leute ich kennenlerne.
Von Kalaikhum nach Dushanbe
Tage 40 - 42 (Km 7'423)
Die Nordroute nach Dushanbe führt über den 3'850 Meter hohen Khaburarbot Pass. Dabei ist eine Passage sehr exponiert, weshalb der Pass auf der Webseite dangeresroads.org - world's most spectacular roads aufgeführt ist. Zudem haben mir zwei Motorradfahrer, die ich im Wakhan Tal getroffen haben, gesagt, dass ich da nur rüberfahren soll, wenn ich über sehr gute Endurofahrkenntnisse verfügen würde.
Beim Start meiner KTM bin ich deshalb gespannt auf die heutige Fahrt. Anfangs ist die Strasse noch gut und bringt mich ins Tal des Obikhubon Flusses. Beim Start der Passauffahrt steht wieder einmal ein Militärposten. Meine Daten werden in ein dickes Buch eingetragen und nach einer freundlichen Verabschiedung kann ich weiterfahren.
Die Strasse ist mittlerweile noch einspurig und führt über grosse Schleifen die Berge hinauf. Viele Bienenhäuschen und einige Jurten deuten darauf hin, dass dieses Gebiet im Sommer bewohnt und genutzt wird. Es dauert auch nicht lange, bis ein erster kleiner Lieferwagen von oben kommt.
Die beschriebene exponierte Stelle erreiche ich nach knapp einer Stunde. Die Schotterpiste wurde hier über einige hundert Meter aus dem Felsen geschlagen, weshalb es auf der einen Seite in die Tiefe geht und der Strassenrand nicht gesichert ist. Da mir Höhen keine Mühe bereiten und zudem die Schotterstrasse recht gut ist, komme ich ohne Problem über diese Passage hindurch.
Weiter oben steht dann die erste Hinweistafel auf Landminen. Auf der Passhöhe stehen dann gleich mehrere davon rum. Die sind leider noch aus dem vergangenen Krieg zwischen Russland und Afghanistan. Hinter der ersten Kurve nach der Passhöhe steht dann aber ein Schäfer mit hunderten von Schafen mitten im Gelände. Entweder weiss er, wo die verbleibenden Minen liegen, oder er ignoriert es einfach oder es gibt gar keine Minen mehr.
Drei Schlaufen später kommt mir ein alter, farbig bemalter Renault entgegen. Verwundert halte ich an. Im Fahrzeug sitzt eine Irin und zwei Iren, die an der Mongolian Ralley 2018 teilnehmen. Von dieser Ralley habe ich schon gehört, kenne aber die Bedingungen nicht. Sie erklären mir dann lachend, dass es kein richtiges Rennen ist und es drei Voraussetzungen gibt. Das Fahrzeug darf nicht mehr als 1'000cc haben, Motorräder oder Roller nicht mehr als 250cc. Man darf keine Unterstützung dabei haben oder Sachen vor organsieren und es müssen mindesten £ 1'000.00 an Wohltätigkeitsgelder gesammelt werden. Start ist in England und Ziel in der Mongolei. Zeit haben sie höchsten sechs Wochen. Auf meine Frage, wie lange sie schon unterwegs sind, meinte die Irin, zwei Wochen, was bedeutet, dass sie bisher permanent am Fahren waren. Verrückt, wem ich so alles begegne.
Später komme ich in ein weiteres Tal und folge dem grossen Fluss Surchob. Die Bewohner hier müssen sehr patriotisch sein. Überall sind grössere und kleinere Fahnenstangen mit Bilder der Präsidentenfamilie und Minister aufgestellt.
Die Hauptstrasse, die Tadschikistan mit Kirgistan verbindet, erreiche ich nach zwei Stunden. Diese ist anfänglich geteert, endet aber immer wieder in längeren Schotterabschnitten. Hier komme ich am Projekt des Rogun Staudammes vorbei, der die höchste Talsperre der Welt werden wird. Ein so grosse Baustelle habe ich noch nie in meinem Leben gesehen.
Um 19.00 Uhr bin ich in Dushanbe. Zum Glück habe ich am Vorabend ein Zimmer übers Internet reserviert, das Hostel ist nämlich ausgebucht. Auf dem Parkplatz stehen fünf Motorräder. Mit einem der Fahrer hatte ich über Facebook bereits Kontakt und so lerne ich alle anderen beim anschliessenden Nachtessen kennen.
Nach all den staubigen Schotterpisten muss ich den Luftfilter der KTM reinigen. Gleich in der Nähe befindet sich die Biker House Werkstatt, wo alle Fernmotorradfahrer vorbei kommen, wenn es etwas zu erledigen gibt. Hier treffe ich auf einen Fahrer aus Litauen, der wegen zu schnellem Fahren den hinteren Stossdämpfer demoliert hat. Ein weiterer Deutscher Fahrer hatte ein verkrümmtes Vorderrad, verursacht durch einen Schlag eines dieser tiefen Löcher. Ein weiterer Motorradfahrer war mit einem Lieferwagen zur Werkstatt unterwegs. Auch er hatte einen defekten hinteren Stossdämpfer. Der Werkstatt geht die Arbeit nicht so schnell aus.
Wieder im Hostel packen mich Magenkrämpfe und ich liege flach. Nun hat es mich doch noch erwischt. Dachte schon, dass ich Tadschikistan ohne die gefürchtete Magenverstimmung überstehe. Meine heutige Weiterfahrt muss ich deshalb zugunsten eines Genesungstages verschieben.