Motorradreise von Patagonien nach Alaska, Argentinien, Wind, Honda CRF300L

Vom Winde verweht

Zwischenzeitlich ist Ulrik, den ich schon in El Calafate getroffen habe, ebenfalls in Ushuaia angekommen und er übernachtet am gleichen Ort wie ich.

 

Wir verabreden uns für das Nachtessen und wollen um 18.00 Uhr runterlaufen. Die aufkommende Kaltfront macht uns einen Strich durch die Rechnung und wir verschieben uns bei leichtem Schnee mit dem Taxi ins Zentrum.

 

Der Taxifahrer erzählt uns, dass er auch mit seinem Motorrad auf Reisen geht und er schon bis nach Lima in Peru gefahren ist.

 

Die Wettervorhersagen für meine Fahrt zurück nach Rio Grande sehen schlecht aus. Es sind kalte 5 Grad für den Morgen gemeldet mit starken Winden ab Mittag.

 

Ich sitze deshalb bereits um 07.00 Uhr auf der Honda und hoffe, wenigsten einen Teil der Strecke ohne Sturmböen zu überstehen.

 

Auf halber Strecke stoppe ich bei der Tankstelle in Tolhuin und Wärme mich bei einer Tasse Kaffee im Restaurant auf.

 

Die Temperaturen steigen langsam, dafür bläst der Wind immer stärker. Auf den letzten 50km werden die Turbulenzen dann herausfordernd.

 

Habe ich bis anhin gedacht, dass ich mit den patagonischen Winden ganz gut zurechtkomme, werde ich jetzt eines besseren belehrt.

 

Kommt der Wind seitlich, ist es für mich nur schwer möglich, die Maschine auf der Strasse zu behalten.

 

Jede Richtungsänderung der Strasse bedeutet zugleich eine Änderung der Windturbulenzen. Ganz schwierig wird es, wenn ich aus dem Rückenwind in den Gegenwind wechsle, oder umgekehrt, weil dazwischen die volle Windkraft von der Seite kommt. Dabei drückt mich der Wind zwei Mal fast von der Strasse.

 

Endlich erscheint am Horizont die Tankstelle von Rio Grande, wo ich mit Müh und Not in die Einfahrt einbiege und hinter der schützenden Restaurantmauer anhalte. Was für eine Fahrt.

 

Auf dem Parkplatz stehen zwei Royal Enfields mit kolumbianischen Kennzeichen und die beiden Biker sitzen im Restaurant.

 

Ich bestelle mir einen Kaffee und gehe zu ihnen rüber. Sie kommen aus Estland und haben die Himalayas in Kolumbien gekauft und sind auf dem Weg nach Ushuaia.

 

Trotz den starken Winden wollen sie heute noch runterfahren, da sie morgen bereits ihre Motorräder verschiffen müssen. Ich hoffe, das verläuft gut für sie.

 

Gemäss dem Schweizer Motorradfahrerpaars Fränzi und Beni hat es in Rio Grande eine guten Motorradmechaniker, den sie für ein Problem an einem ihrer Motorräder aufsuchen mussten.

 

Ich habe ihn gestern per WhatsApp kontaktiert und nachgefragt, ob er heute Zeit für einen Ölwechsel an meiner Honda hat. Seine positive Antwort kam schnell zurück mit dem Hinweis, dass ich das Öl und Filter selbst mitbringen muss, da er kein Material verkauft.

Durch das Motorcycle Fin del Mundo Hostal habe ich die Adresse eines Shops bekommen, der Öl verkauft. Den versuche ich jetzt anzusteuern, was zum Glück etwas einfacher ist, weil die Häuser den Wind etwas bremsen.

 

Nebst dem Öl kaufe ich noch einen Kettenspray und gleich einen 4 Lister Benzinkanister. Den werde ich spätestens im Norden von Chile und Argentinien benötigen.

Es ist ruhig im Laden und das Ladenbesitzerehepaar hat deshalb Zeit. Sie offerieren mir einen Kaffee und plaudern mit mir. Ich muss mich ebenfalls nicht beeilen, weil der Mechaniker erst ab 17.00 Uhr arbeitet.

 

Dazwischen schicke ich eine Nachricht ans Motorcycle Hostal, damit sie mir ein Bett reservieren. Es ist nämlich gut möglich, dass ich dieses Mal nicht der einzige Gast bin.

 

In Ushuaia findet an diesem Wochenende ein Motorradfest statt, welches viele Biker anzieht. Durch die turbulenten Windverhältnisse werden sicher einige gestoppt und übernachten lieber im Motorcycle Hostal.

 

Als ich beim Mechaniker ankomme, ist der Laden noch geschlossen. Ich suche mit hinter dem Haus eine windgeschützte Stelle und warte.

 

Bald darauf ertönt das Geräusch eines heraufziehenden Rollladens und Hernan erscheint. Er begrüsst mich und bittet mich zu warten, bis er alle seine Motorräder aus der Garage geholt hat.

 

Daneben erscheint ein Kollege nach dem anderen von ihm, die sich alle in die Garage verziehen.

 

Als ich meine Honda reinschiebe, sitzen alle verstreut in der Garage herum, plaudern über den Tag und trinken dazu Mate Tee.

 

Der Mate Tee ist das Nationalgetränk von Argentinien. Tradition ist, dass nur einen Pot genutzt wird, welcher herumgereicht wird. Jede Person zieht dann einmal am Metallhalm, der unten ein Sieb eingebaut hat, und gibt den Pot weiter. Dazwischen wird immer wieder heisses Wasser nachgefüllt.

 

Es vergeht eine Stunde bis Hernan in seinen Overall steigt und meiner Honda den schwarzen Saft ablässt und gleich noch den Ölfilter demontiert.

 

Danach kommt der neue Filter zum Einsatz, den ich von zu Hause mitgebracht habe. Noch neues Öl rein und fertig ist der Ölwechsel.

 

Die Windfahrt zum 5km entfernten Hotel wird nochmals happig, weil die Strasse dahin ungeschützt neben dem Meer verläuft.

 

Im Hostal herrscht wie erwartet Vollbetrieb und der Partyraum ist gefüllt mit Motorrädern. Dank meiner Bettreservation bekomme ich eines der letzten Betten.

 

Zurück im Gemeinschaftsraum bereite ich mir einen Kaffee zu und stelle mich bei allen vor. Die meisten sind aus Argentinien und wollen ans Motorradfahrer Treffen.

 

Zwei Biker aus Kolumbien hat es ebenfalls hierher geblasen.

 

Es rollen weitere Motorräder auf den Hof und der Hostal-Inhaber schaut schon ganz verzweifelt nach draussen, weil er nicht weiss, wo er sie alle unterbringen soll.

 

Bevor das Nachtessen kommt, erhalten alle Motorradfahrende das obligate Diplom des Motorcycle Fin del Mundo Hostal. Darauf wird bestätigt, dass man es bis ans Ende der Welt mit dem Motorrad geschafft hat.

 

Das wir hier ernst genommen und alle anwesenden klatschen und machen Fotos bei der Verteilung.

 

Meine Papierdiplom wird die Weiterreise kaum überleben, weshalb ich ein Foto davon mache.

 

Um Mitternacht falle ich müde ins Bett und stelle den Wecker auf 05.45 Uhr. Wenn der Wind es zulässt, fahre ich morgen wieder früh los.


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Den Wecker brauche ich nicht, weil der Wind die ganze Nacht um alle Ecken pfeift und das Dach zum Lottern bringt. Ich döse deshalb mehr als schlafen.

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Ich schaue mir die Windvorhersagen nochmals an und das sieht weiterhin schlecht aus. Böen bis zu 100km/h und das auf der gesamten Strecke bis nach Rio Gallegos.

 

Der Fährbetrieb wurde gestern am Nachmittag über die Magellan Strasse eingestellt. Das wir vermutlich heute auch der Fall sein. Plus ist auf der gesamten Strecke, immerhin 370km bis nach Rio Gallegos, lediglich eine kleine Siedlung. Ansonsten bin ich immer dem Wind ausgesetzt.

 

Es spricht also alles dagegen, um heute weiterzufahren und ich entscheide mich hierzubleiben.

 

Bevor ich weiter döse, schreibe ich Ulrik, der heute von Ushuaia aus bis nach Rio Gallegos fahren will, dass ich nicht weiterfahre und wir uns deshalb nicht an der Grenze treffen werden.

Es dauert keine 10 Minuten und seine Antwort kommt rein. Er ist um 04.00 Uhr losgefahren und ist jetzt an der Tankstelle, wo ich gestern auch war. Obwohl er mit einer schweren BMW unterwegs ist, hatte er seine liebe Mühe mit den Windverhältnissen und entscheidet sich ebenfalls im Motorcycle Hostal zu bleiben.

 

Gut, dann habe ich etwas Gesellschaft in der Unterkunft, weil alle anderen nach dem Frühstück nach Ushuaia rollen, obwohl dies nicht ungefährlich ist.

 

Bis Mittag bleiben nur ein Vespafahrer aus Mexico und ein junger Kanadier, der mit seinem Hund unterwegs ist. Für den Hund hat er eine spezielle Sitzbank montiert und zieht im eine Fahrerbrille über, wenn sie los düsen.

 

Den Nachmittag verbringe ich mit chillen und rumhängen. Gegen Abend rollen zwei neue Biker heran, die wie wir nach Norden wollen.


Es ist unglaublich, wie ausdauernd der Wind sein kann und ohne Pause die ganze Nacht hindurch tobt.

 

Gemäss dem Vorhersagen sind die Spitzengeschwindigkeiten nicht mehr so hoch und ab der Region, wo die Fähre fährt, sollte er etwas abklingen.

 

Wir entscheiden uns deshalb loszufahren, da wir beide aus dieser Region rauswollen.

 

Mehr als einen Kaffee bietet die Hostal Küche an diesem Morgen nicht, weil der Einkauf vergessen ging. Da kommen wieder einmal meine Notkekse zum Zuge.  

 

Ich verabschiede mich von Ulrik, da er mit seiner schweren BMW schneller durch den Wind kommt als ich, und es keinen Sinn macht, wenn er hinter mir her trödeln muss.

 

Und dann setze ich mich und die Honda dem Wind aus.

 

Er ist unverändert stark, wie in den letzten Tagen. Einzig die Böen mit ihren Spitzengeschwindigkeiten sind kaum mehr vorhanden.

 

Ich stelle mich deshalb auf eine lange, anstrengende Fahrt ein, die dann auch so wird.

 

Zeitweise drückt der Wind seitlich über längerer Zeit so stark, dass ich die Maschine derart in die Seitenlage bringen muss, dass gefühlt bald die Fussrasten am Boden schleifen, was bei einer Enduro krass ist.

Gefährlich sind die Trucks, wenn sie beim Entgegenkommen den Seitenwind für kurze Zeit unterbrechen. Das generiert extreme Turbulenzen.

 

Jegliche Pausen werden zudem im wahrsten Sinne des Wortes vom Winde verweht, was das Fahren zusätzlich anstrengend macht.

 

Einzig bei den Grenzübertritten hört das Getose für kurze Zeit auf.

 

Endlich bei der Fähre ankommend, läuft mir diese vor der Nase aus, weshalb ich eine Stunde warten muss.

 

Wenigstens stehe ich etwas windgeschützt neben einem Lastwagen und kann während dieser Zeit einen Happen Essen und Trinken.

 

Zerzaust gelange ich zwei Stunden später zum Hotel, wo ich bereits auf dem Weg nach Ushuaia übernachtet habe.

 

Ulrik ist seit einer Stunde hier und hat für mich ein Zimmer gebucht.

 

Den Abend lassen wir bei einem Burger und dem Fussballspiel Argentinien – Mexico ausklingen, dass zum Glück Argentinien gewinnt, weil sonst die fussballvernarrte argentinische Bevölkerung in eine Staatstrauer verfallen wäre.


Eigentlich wollte ich über einen längeren Zeitraum in Patagonien bleiben und in Punta Arenas meine Enduro parken und von dort aus für einen Monat über Weihnachten und Neujahr nach Hause fliegen.

 

Dieser Plan hat der Wind aber verweht. Zu stark schränkt mich diese Naturgewalt ein, was mir nicht gefällt.

 

Ich fahre deshalb schneller als geplant nach Norden und werde ab Santiago de Chile nach Hause fliegen.

 

Deshalb werde ich heute Strecke machen und mich ausschliesslich auf Teerstrassen fortbewegen.

 

Ein letztes Mal verabschiede ich mich von Ulrik und schwinge mich in den Sattel.

 

Landschaftlich werde ich auf dieser Route nicht verwöhnt. Wobei der grün leuchtende Santa Cruz Fluss bei Comandante Luis Piedra Buena eine Augenweide ist.

Beim Fotostopp treffe ich auf Henning und Mang aus Deutschland, die mit ihren Yamaha T7 während sechs Monate durch Südamerika reisen.

 

Frisch getankt gebe ich nochmals über 150 Kilometer Gas, bis ich in Gobernador Gregores eintreffe, wo ich ebenfalls bei meiner Reise auf der Routa 40 in den Süden schon einmal übernachtet habe.

 

Bei der Unterkunft stehen zwei Motorräder mit argentinischen Kennzeichen. Es stellt sich heraus, dass die beiden in Ushuaia im gleichen Gasthaus waren wie ich, wir uns aber nur kurz gesehen haben, weil sie spätabends ankamen und ich morgens früh losfuhr.

 

Dafür quatschen wir jetzt ausgiebig miteinander.


Meine Route verläuft weiter auf der Route 40 bis zur kleinen Versorgungsstation Baja Caracoles, wo ich vor ein paar Wochen das erste Mal richtig verregnet wurde.

 

Einmal mehr ist der Wind omnipräsent. Trotzdem biege ich bei der Station auf die knapp 80 km lange Schotterstrasse ab, die mich zur kleinen Siedlung Lago Posadas bringt.

 

Diese liegt nahe der chilenischen Grenze an zwei Seen.

 

Leider kann ich wegen dem tosenden Wind auch auf dieser Strecke kaum anhalten respektive vom Motorrad steigen. Das nervt mich, weil die Strecke durch eine schöne Landschaft verläuft.

 

Kurz vor der Ortschaft werde ich von einem weissen Pick-Up überholt, der danach langsam abbremst und mir eine Hand aus dem Fenster ein Zeichen gibt, anzuhalten.

 

Es ist ein Schweizer Paar mit einem Mietauto, die mich erstaunt fragen, wie ich mit meinem Schweizer Motorrad in diese verlassene Gegend komme.

 

Wir unterhalten uns lediglich kurz, weil der Wind fortlaufend Staub aufwirbeld und uns einstaubt. 

 

Über Google Maps habe ich in Lagos Posadas ein Hotel gefunden, dass ich jetzt ansteure.

 

Der Eigentümer steht zufälligerweise vor der Haustüre und bittet mich gleich hinein.

Sie haben ein Zimmer frei, was mir gut gefällt und deshalb für zwei Nächte buche. Frühstück und Nachtessen bieten sie ebenfalls an. Alles in allem kostet mich das mit dem günstigen Wechselkurs gerade Mal CHF 22.00 pro Nacht.

 

Es stellt sich heraus, dass die Familie Selbstversorger sind. Salat und Gemüse kommt aus dem Garten hinter dem Haus, Brot backen sie selbst, Fleisch erhalten sie von der Farm ihres Sohnes und Fische fangen sie bei Bedarf direkt selbst im See.

 

Die Eigentümer erzählen mir, dass die meisten der anderen 400 Dorfbewohner sich ebenfalls durch ihre eigenen Produkte versorgen. Es gibt zwar einen Supermarkt im Dorf, der jedoch teuer ist, weil alle Waren von der 200 km entfernen Ortschaft Perito Moreno angeliefert wird.

 

Weiter geben sie mir Tipps, wie ich morgen zu den beiden Seen komme und was ich anschauen kann. Und sie erwähnen, dass ich erst am späteren Nachmittag losfahren soll, weil es dann weniger Wind hat.

 

Deshalb frühstücke ich an diesem Morgen später als gewohnt, wasche danach meine Schmutzwäsche und verbringe die restliche Zeit mit faulenzen bis der Wind wirklich nachlässt und ich auf Erkundungstour gehe.



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