Durch das Gran Chiquitania nach Brasilien

Die Kaltwetterfront ist hartnäckiger und kälter als wir uns dachten, weshalb wir unseren Aufenthalt in Trinidad um weitere zwei Nächte verlängern.

 

Dabei heisst es für uns Winterausrüstung auspacken und Kappe anziehen, weil der Wind eisig um die Ecken pfeift und uns Temperaturen unter 10 Grad beschert.

 

Frieren im Amazonas stand definitiv nicht auf meiner Wunschliste.

 

Auch zwei Tage später ist keine Sonne in Sicht und kurze heftige Regenschauer fegen weiterhin über uns hinweg.

 

Trotzdem entscheiden wir uns fürs Weiterfahren, weil frierend im Zimmer oder sonst wo rumzusitzen keine Option mehr ist.

 

Und so setzen wir uns nach dem Frühstück dick eingehüllt in Bewegung und rollen schlotternd auf einer gut ausgebauten Teerstrasse durch das Amazonas-Tiefland in Richtung Santa Cruz de la Sierra.

 

Im Wissen, dass uns die Landschaft die nächsten 1'000 km bis nach Brasilien keine Highlights bieten wird, hoffen wir desto mehr auf weitere spannende Tierbegegnungen.

 

Wir merken jedoch schnell, dass daraus nichts wird, weil die Strecke zwischen Santa Cruz und Trinidad verkehrsreicher ist und sich deshalb weniger Tiere in oder auf der Strasse aufhalten.

Diejenigen, die es trotzdem wagen, werden oft überfahren und enden als Geierfutter am Strassenrand, so wie der Kaiman, den wir auf der Gegenüberliegenden Strassenseite erblicken. Eine Heerschar Geier macht uns auf ihn aufmerksam.

 

Ansonsten begegnen wir lediglich Kühe und ein paar Pferden, die neben oder auf der Strasse liegen oder herumlaufen.

 

Ebenfalls gefährlich, fahren wir doch an zwei toten Kühen und einem Pferd vorbei, die dem Verkehr zum Opfer fielen.

 

In einem der Dörfer entlang unserer Route beziehen wir durchgefroren unser Nachtquartier. 

 

Als Erstes fragen wir nach heissem Wasser und brauen uns einen wärmenden Kaffee.

 

Danach bestellen wir auf der gegenüberliegenden Strassenseite unser Nachtessen. Auch hier pfeift uns ein kalter Wind um die mit einer Kappe geschützten Ohren, weil Fenster und Türen im Restaurant fehlen.

 

Für die lokale Bevölkerung lohnt es sich für die paar kalten Tage im Jahr nicht für teures Geld Fenster und Türen einzubauen.


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Die Unterkunft bietet kein Frühstück an, wodurch wir mit leicht knurrenden Mägen losfahren.

 

In der Reise App iOverlander haben wir einen Eintrag gefunden, der uns hoffen lässt, dass wir nach 50 km Entfernung an eine Tankstelle mit kleinem Restaurant gelangen, wo wir Kaffee und eine kleine Mahlzeit erhalten.

 

Und siehe da, die Info ist richtig und zum ersten Mal auf unserer gesamten Reise durch Bolivien treffen wir auf eine Tankstelle mit Bistro.

 

Freudig sagen wir Buenos Dias und bestellen uns einen Kaffee und ein Sandwich mit frischem Spiegelei und Tomaten. Unsere Mägen frohlocken.

 

Zu alle dem drückt die Sonne langsam durch die graue Wolkendecke und wärmt uns mit ihren ersten Sonnenstrahlen etwas auf. Luxus pur.

 

Einige Kilometer später verlassen wir die Verkehrsachse nach Santa Cruz de la Sierra und biegen auf die Rundtour durch das Gran Chiquitania ab.

 

Diese Strecke führt durch eine Savannenregion, in der in fast jeder Ortschaft eine Jesuitenkirche steht.

Die Jesuiten siedelten hier im 17. Jahrhundert und erstellten während dieser Zeit diese Kirchen.

 

Die Gotteshäuser sind heute ein bedeutendes Kulturgut in Bolivien, weil sie die Einzigen in Südamerika sind, die nicht während des Rauswurfes der Spanier zerstört wurden.

 

In den restaurierten Kirchen finden weiterhin Gottesdienste statt und dienen zudem als Museum.

 

Der Name der Region Chiquitania stammt aus der spanischen Besetzungszeit, mit der diese auf die geringe Höhe der Eingangstüren der Hütten anspielten.

 

In der Ortschaft San Javier legen wir bei der ersten Kirche eine kleine Pause ein und sind überrascht, wie gut erhalten und gepflegt die Anlage ist.

 

Anschliessend rollen wir weiter bis nach Conception, wo wir in einer Pension mit grünem Garten Quartier beziehen.

 

Nachdem wir unseren Hunger gestillt haben, besuchen wir die imposante Jesuitenkirche und das Museum.


Für die heutige knapp 150km lange Etappe benötigen wir auf der gut ausgebauten Teerstrasse etwa drei Stunden.

 

Wir lassen uns deshalb beim Frühstück im Garten unsere Unterkunft Zeit und bepacken unsere Adventure Bikes erst gegen 10 Uhr.

 

Die grauen Wolken haben sich verzogen und gemäss Wetterbericht scheint ab heute wieder die Sonne vom blauen Himmel und bringt wärmere Temperaturen in die Savanne.

 

Ohne besondere Vorkommnisse gelangen wir nach San Ignacio de Velasco, wo eine weitere bedeutende Jesuitenkirche in der Dorfmitte steht.

 

Auch hier erhalten wir in einem Gasthaus im alten Dorfkern ein Zimmer, dass von einem grünen Garten umgeben ist.

 

Die Kirche wird renoviert, weshalb wir auf einen Besuch verzichten und dafür im einzigen geöffneten Restaurant gegenüber dem Dorfplatz ein Mittagessen verdrücken.

Den Rest des Nachmittages verbringen wir mit relaxen.

 

Die letzte Etappe auf unserer Kirchenrunde durch die Gran Chiquitania ist gemäss unserer Karte teils geteert und geschottert.

 

Dem ist auch so plus durchfahren wir unzählige Baustellen. Dabei ändert sich der Untergrund sporadisch auf sandig, kiesig, schlammig, erdig und neuem dampfenden Teer.

 

Unser Tagesziel San José de Chiquitos erreichen wir deshalb später als geplant und ziemlich müde.

 

Trotzdem raffen wir uns nach einer kurzen Pause im letzten Tageslicht nochmals auf und besuchen die Jesuitenkirche, die hier in eine alte spanische Kirche hineingebaut wurde.

 

Nach dem Nachtessen und Wasserkauf folgen wir dem Ruf unserer Betten und ergeben uns unserer Müdigkeit.


Uns trennen noch 390 km von der brasilianischen Grenze, die wir auf der Nr. 4, der einzigen Verkehrsachse dahin, in zwei Tagen zurücklegen.

 

Landschaftlich bietet uns die Strecke lediglich auf dem ersten Drittel eine Abwechslung vom flachen Dschungel und Savanne Gebiet.

 

Die Strasse verläuft durch eine Bergregion, die durch ihre roten Felsen einen farbigen Kontrast zum grünen Umfeld bietet.

 

Dazwischen steht der Torre de David, ein monolithischer Turm aus rotem Sandstein mit einem Umfang von 800 Metern, der sich in der Nähe der Stadt Chochis befindet.

 

Am Fuße des Felsens ist eine Wallfahrtskirche, zu der wir hochfahren. Weil diese bei der bolivianischen Bevölkerung beliebt ist, wird eine Mautgebühr von BOL 10.00 (CHF 1.30) verlangt.

 

Viel mehr vom markanten Sandsteinturm sehen wir oben bei der Kirche nicht, jedoch ist das Tor zur Kirche und etliche Holzpfeiler reich mit Schnitzereien verziert.

 

Wieder zur'ück auf der Nr. 4 tauchen wir erneut in die grüne Fläche des Amazonas-Tieflandes ein.

 

Unsere leeren Tanks rufen zu einen Stopp an der nächsten Tankstelle auf, wo uns der Tankwart trotz Kameraüberwachung Benzin zum lokalen Preis in unsere Benzinblasen verkauft. Jedoch mit der Bitte, das Benzin nicht neben der Tankstelle abzufüllen.

 

Wir halten uns daran und kurven einige hundert Meter zurück, wo wir auf einer leichten Anhöhe ein Hotel mit Restaurant gesehen haben.

 

Als wir es ansteuern, erkennen wir auf dem Parkplatz einen Camper aus Holland.

 

Wir können uns beide nicht mehr erinnern, wann wir das letzte Mal andere Reisende mit Fahrzeugen aus Europa getroffen haben, so wenige sind zurzeit unterwegs.

 

Im Restaurant wird Buffetbetrieb angeboten und während meinen zwei Gängen plaudere ich ein wenig mit dem holländischen Paar. Sie sind wie wir schon lange unterwegs und wollen ebenfalls nach Brasilien.

 

Im Restaurant hat es weitere Besucher, die wie Europäer aussehen. Es sind dies vermutlich Mennoniten, die eine Art Plattdeutsch sprechen, und sowohl hier in Bolivien als auch im nicht weit entfernten Paraguay Siedlungen errichtet haben.

 

Nachdem unser Hunger gestillt ist, bekommen die beiden Motorräder ihre flüssige Nahrung, worauf es weiter geht.

 

Gegen vier Uhr gelangen wir in die kleine Ortschaft El Carmen Rivero Torrez und rutschen auf einer sandigen Piste zu unserer auf Google Maps rausgesuchten Unterkunft.

 

Diese entpuppt sich wie unsere letzten zwei Unterkünfte als kleines Juwel mit einem grossen, grünen Garten und einem komfortablen Zimmer mit Frühstück zu einem für uns günstigen Preis.

 

Beim Eindunkeln schlendern wir durch die Ortschaft auf der Suche nach einem Restaurant und werden schlussendlich bei einer weiteren Unterkunft fündig, die auch ein Restaurant betreibt.

 

Heute ist es soweit und wir verlassen nach mehr als insgesamt sieben Wochen Bolivien.

 

Im Vorfeld konnten wir uns beide nicht vorstellen, dass wir so lange bleiben. Jedoch hat uns die vielfältige Landschaft, durch die uns etliche abenteuerlichen Schotterpisten führten, und die vielen freundlichen Menschen dazu bewegen, länger zu bleiben.

 

Zwei Stunden nach unserem Start stehen wir im Lastwagenchaos vor der Grenze und suchen zwischen den Brummern den kleinen Laden, in dem wir Fotokopien unserer Pässe, Fahrzeugausweise erhalten und die digital erfasste Deklaration für die Einfuhr unserer Motorräder nach Brasilien ausdrucken können.

 

Einmal mehr haben wir auf der iOverlander App hilfreiche Tipps für die Grenzformalitäten erhalten plus die Koordinaten des kleinen Ladens für die Kopien unserer Unterlagen.

 

Nach etwas suchen stehen wir vor dem Shop und bekommen alle Kopien gegen ein kleines Entgelt.

 

Danach quetschen wir uns durch die stehende Lastwagenkolonne und fahren den Personenwagen zur Grenze hinterher.

Wie so oft bei grösseren Grenzübergänge, geht es chaotisch zu und her und es ist für uns nicht erkennbar, wo wir unseren persönlichen Ausreisestempel aus Bolivien erhalten und wo wir die T.I.P Papiere für unsere Motorräder abgeben müssen.

 

Wir folgen deshalb einfach den fahren Autos und halten erst an, als wir beim brasilianischen Zollgebäude ankommen.

Ich frage einen der anwesenden Grenzwächter, wo der bolivianische Zoll ist. Er erwidert mir, dass ich wieder zurück müsse über die kleine Brücke und wir dort die Ausreisestempel bekommen.

 

Heisst, wir sind eigentlich schon aus Bolivien raus und in Brasilien.

 

Das ist hier jedoch kein Problem und ich kann zu Fuss zurücklaufen, wo ich in dem Haus die Immigration finde, wo wir vorher noch gedacht haben, dass es verlassen sei.

 

Den Ausreisestempel in meinen Pass erhalte ich innert einer Minute und werde anschliessend auf die andere Strassenseite zur Aduana geschickt, wo ich das T.I.P für die Honda abstempeln kann.

 

Der freundliche Zollbeamte möchte jedoch mein Motorrad sehen, weshalb ich jetzt wieder zurück zum brasilianischen Zoll muss und dort die Honda und auch gleich Christian mit seinem Motorrad abhole.

 

Der brasilianische Zollbeamt nickt dazu lediglich und hält den Daumen hoch, was in Brasilien das gängige Zeichen für "alles ok" ist.

 

Kurt danach halten wir beim bolivianischen Aduana. Bevor wir reingehen, holt sich Christian seinen Ausreisestempel gegenüber bei der Immigration. Danach stehen wir wieder vor dem freundlichen Zollbeamten.

 

Er kommt kurz vor die Türe und schaut sich beide Motorräder von weitem an, nickt, trägt uns im System aus und stempelt unsere T.I.P ab.

 

Und schon sitzen wir wieder auf den Bikes und rollen erneut zum brasilianischen Zoll.

 

Wie üblich bekommen wir den Einreisestempel in den Pass innert weniger Minuten. Für das brasilianische T.I.P für die Motorräder dauert es dann schon etwas länger.

 

Als wir sie bekommen, kontrollieren wir die Daten und bemerken, dass meine temporäre Einfuhr für 90 Tage gilt und diejenige für Christian lediglich 20 Tage.

 

Christian fragt den Beamten, weshalb dies so sei, worauf dieser lediglich auf Portugiesisch antwortet, er könne sein T.I.P verlängern lassen bei Ablauf.

 

Christian ist verständlicherweise unzufrieden. Ohne Grund ist es jedoch schwierig nachzuvollziehen, wieso seines nur für 20 Tage gilt.

 

Sicherheitshalber geht er zurück zur Immigration und fragt, wie lange er als Person in Brasilien bleiben darf, worauf er die Antwort bekommt, für 90 Tage. Entsprechend müsste er also für das Motorrad ebenfalls wie ich drei Monate bekommen.

 

Er geht deshalb nochmals zum Aduana Schalter und erwischt dieses Mal einen Beamten, der Englisch spricht.

 

Dieser klärt die Situation schnell auf und erklärt Christian, dass er lediglich 20 Tage bekommen hat, weil er auf seiner digitalen Erfassung als vorgesehenes Ausreisedatum den 10. Juli 2023 angegeben hat.

 

Das war ein Fehler und der Beamte ist sofort bereit, ihm ein neues T.I.P für ebenfalls 90 Tage auszustellen.

 

Und so verlassen wir einige Zeit später mit korrekten Einreisepapieren die Grenze und stellen dabei fest, dass wir eigentlich ohne jegliche Kontrolle aus Bolivien hätten ausreisen und in Brasilien einreisen können. Niemand stoppte uns und wollte sehen, ob wir die Grenzformalitäten erledigt haben.

 

Natürlich ist das nicht ratsam, weil dies bei einer erneuten Einreise nach Bolivien oder bei der Ausreise aus Brasilien grosse Probleme nach sich ziehen würde, weil normalerweise am Zoll jemand prüft, ob die Formalitäten erledigt sind.

 

Unsere gewählte Unterkunft erreichen wir einige Kilometer später und bekommen ein grosses Doppelzimmer mit Balkon und Bad und einen sicheren Parkplatz für die Motorräder.

 

Willkommen in Brasilien.



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