Chicamocha Canyon & Sierra Nevada El Cocuy

Die Hauptstrecke durch den Chicamocha Canyon ist eine verkehrsreiche Straße mit vielen Lastwagen, die mich nicht interessieren. Der Aussichtspunkt auf dieser Strecke soll zudem gemäss etlichen Beschreibungen durch die vielen Besucher zu einem Rummelplatz verkommen sein. Ich suche mir deshalb auf der detaillierten OSM-Karte eine Schotterpiste heraus, die in den Canyon hinunter in die kleine Siedlung Jordan führt und von dort entlang des Rio Chicamocha bis zur Kreuzung mit der Hauptstraße im Canyon verläuft. Auf der Teerstraße werde ich dann einige Kilometer hinauf bis zur Abzweigung zum Dorf Cepita fahren, welches ebenfalls mitten im Canyon liegt. Dort werde ich heute Abend übernachten.

 

Auf dem Weg zur Schotterpiste besorge ich mir in San Gil genügend Benzinreserven für die kommenden zwei Tage. Anschließend tuckere ich auf der Teerstraße in Richtung Canyon den Lastwagen hinterher, bis endlich die Abzweigung zur Schotterpiste nach Jordan folgt. Schlagartig ist Schluss mit Verkehr. Anfangs verläuft die Piste über einige Hügel hindurch, bis ich den Rand des Canyons erreiche. Diesem folgt die Piste einige hundert Meter und beschert mir Aus- und Weitblicke der Extraklasse. Dann geht es auf einer einspurigen Betonstraße über 800 Höhenmeter steil abwärts. Auf Schotter wäre diese Steigung kaum zu bewerkstelligen, vor allem nicht bei Regen. Die Siedlung Jordan liegt direkt am Fluss und besteht lediglich aus ein paar Häusern und einem Hotel für Gäste, die die Abgeschiedenheit schätzen. Auf dem schattigen Dorfplatz lege ich eine Pause ein. Mit jedem Höhenmeter hinunter wurde es wärmer und wärmer, und jetzt habe ich das Gefühl, ich sitze in einem 50 Grad Backofen. Wieder auf der Honda folge ich der Piste dem Fluss entlang. Der schlechte Zustand der Schotterstraße lässt darauf schließen, dass kaum Verkehr darüber rollt. Generell ist es sehr steinig, und in den Steigungen gibt es viele Auswaschungen. Zusammen mit der Hitze werden die 15 Kilometer bis zur Teerstraße ganz schön anstrengend. Auf den letzten Kilometern wartet dann noch eine besondere Herausforderung auf mich. Die Piste verläuft in steilen Abschnitten hinauf und auf einem von diesen gab es einen Steinschlag.

Um diesen zu beseitigen, steht weiter oben ein Bagger und trägt noch mehr loses Gestein ab und kippt es auf die Piste. Das heißt für mich, dass ich in diesem steilen Stück über lose Erde mit dicken Steinen hindurchmuss, was alles andere als einfach ist. Einmal mehr bin ich froh über die handliche, leichte Honda, die ich mit Vollgas durch den Abschnitt jage. Außer ein paar Rutschern nach links und rechts komme ich erstaunlich gut durch. Auf der Teerstraße angekommen, brauche ich dann zuerst einmal eine Verschnauf- und ausgiebige Trinkpause. Das war ziemlich fordernd. Natürlich halte ich für den Stopp etwas erhöht bei einem Aussichtspunkt an, an dem sonst niemand ist, weil Autos kaum Platz haben. Zum tollen Ausblick gesellt sich ein angenehmes Lüftchen.

 

Wieder frisch bei Kräften biege ich auf die Piste nach Cepita ab. Ein etwas größeres Dorf, das ebenfalls mitten im Canyon liegt und eine Übernachtungsmöglichkeit anbietet. Die gesamte Fahrt hinunter ist eine Panoramastraße mit Dauerblick in die Canyon- und Bergwelt. Und die Piste ist einiges besser, weil es sich um den Verbindungsweg von Cepita zur Hauptstraße handelt. So bekomme ich von der Aussicht auch beim Fahren etwas mit. Unten angekommen überquere ich den Chicamocha Fluss auf eine Brücke und stehe kurz darauf vor meiner Unterkunft, die gleich beim Dorfplatz liegt. Die Inhaberin hat mir bereits gestern geschrieben, ich soll ihr eine Nachricht schicken, wenn ich ankomme, da sie nicht im Hause sei. Das mache ich nun und fünf Minuten später braust sie als Sozia auf einem Motorrad heran. Das Gasthaus ist größer, als es von außen aussieht, und hat zwei Innenhöfe. In einem davon bekommt die Honda ihren Parkplatz, und ich mein komfortables Zimmer. Eine Stunde später esse ich im einzigen Restaurant des Dorfes einen Happen und trinke etwas später einen Tinto im Dorfladen, in dem einige Tische und Stühle stehen. Als ich zurück zur Unterkunft gehe, höre ich ein lautes Gekrächze in den Bäumen. Das hört sich nach Aras an. Und tatsächlich. Ein blau/gelbes Ara-Paar sitzt in den Bäumen und unterhält sich lautstark.


Klicke auf das jeweilige Bild für eine Bildvergrösserung und Beschreibung

Meine heutige Route startet am Rio Chicamocha und endet ebenfalls am Rio Chicamocha. Es ist jedoch nicht möglich, dem Fluss per Strasse zu folgen. Ich muss daher einige Bergpässe und Täler über- und durchfahren, um am Abend in der Ortschaft Soata anzukommen, die hoch über dem Chicamocha Fluss liegt. Die ersten 40 Kilometer von Cepita führen über eine Schotterpiste bis zur Ortschaft San Andres. Die Verbindung ist nicht in allen Karten abgebildetet, weshalb ich sicherheitshalber vor der Abfahrt im örtlichen Polizeiposten nachfrage, ob die Piste offen ist. Die beiden Beamten nicken und erwidern, dass die Strecke für Motorräder passierbar ist, aber aufgrund von Bauarbeiten an der Straße für Autos gesperrt ist. Da bin ich gespannt, wie ich mit dem Motorrad durchkomme.

 

Die Piste steigt nach Cepita schnell an, was zu steilen und manchmal ausgewaschenen Passagen führt. Wie am Vortag werde ich dabei mit grandiosen Aus- und Weitblicken belohnt. Von der Passhöhe führt die Schotterstraße hinunter nach San Andres und gibt mir die Sicht frei auf die Hisgaura Brücke. Diese Viadukt wurde 2019 eröffnet und führt über einen Abschnitt, der früher oft wegen Erdrutschen und Steinschlägen gesperrt war.

Mit einer Länge von 580 Metern und einer Höhe von bis zu 147 Metern über dem Boden ist sie die höchste Brücke in Kolumbien und die höchste Schrägseilbrücke in Südamerika. Kurz vor San Andres passiere ich die von der Polizei erwähnte Baustelle, die ich ohne Probleme auf einem schmalen Übergang überwinden kann. Nach einer Pause im Ort rolle ich über die Riesenbrücke. Das Paradoxe daran ist, dass keine 100 Meter später die Teerstraße fertig ist und ich erneut auf einer teils üblen Schotterpiste zum nächsten Pass auf 3.000 Meter hinauffahre. Die Talfahrt ins kolumbianische Malaga ist dann wieder geteert. Der weitere Streckenverlauf ist erneut geprägt von Auf- und Abfahrten, bis ich am späteren Nachmittag in Soata ankomme, das auf knapp 2.000 Metern liegt. Nach einer Erfrischungspause esse ich im hoteleigenen Restaurant ein frühes Nachtessen. Anschließend vertrete ich mir die Beine und laufe zum Supermarkt auf der anderen Seite des Dorfes. Dabei sehe ich zahlreiche Fahrradfahrer. Vor dem Supermarkt steht ebenfalls eine Gruppe, die teils Spanisch und Englisch spricht. Wieder zurück in meiner Unterkunft sind auch dort drei Gäste mit ihren Fahrrädern eingetroffen. Es sieht so aus, als ob diese Gegend bei Tourenradfahrern beliebt ist.


Der Nationalpark El Cocuy mit seinen vier Schneebergen erwartet mich heute. Doch zunächst heißt es einmal mehr, den Rio Chicamocha zu überqueren. Also wieder einige Hundert Höhenmeter in die Tiefe und danach wieder die gleiche Anzahl hinaufzufahren. Die Straße ist einigermaßen ok, und ich komme gut voran. Auf 3.000 Metern lege ich bei einem der vielen Aussichtspunkte eine Pause ein und bestaune die Landschaft. Gegenüber kann ich die Ortschaft Soata sehen, wo ich heute Morgen gestartet bin. Luftlinie vielleicht 1–2 Kilometer, auf der Straße jedoch über 50 km, weil einen recht grossen Berg umfahren musste. Die nächste Talfahrt erlaubt mir einen ersten Blick auf die Schneeberge im Nationalpark Cocuy. Alle vier Gipfel liegen über 5.000 Metern. Leider ist der Gletscherschwund auch hier stark spürbar, so dass nur noch die Gipfel von Eis und Schnee bedeckt sind. Für eine Überraschung sorgt die nächste kleine Ortschaft mit dem Namen Guacamayas. Beim Ortseingang macht ein großes Wandbild darauf aufmerksam, dass das Dorf voll mit Artisana-Kunst ist. Hinzu präsentiert sich das Dörfchen als herausgeputzte Gemeinde, die trotz ihrer Abgeschiedenhet viel Wert auf ein nettes Straßenbild legt. Am Dorfplatz lege ich eine weitere Pause ein und schaue mir die Gemälde in der näheren Umgebung an. Nach Güican, meinem Tagesziel, gelange ich eine halbe Stunde später. Das Dorf liegt auf 2.900 Metern am Rande des Nationalparks. Beim Dorfeingang folgt ein Kreisel, in welcher Mitte einer grosse Skulptur von Pachamama steht, die Mutter Erde. Eine Götting, die aus der Inkazeit besteht und ihn allen spanischsprechenden Länder Südamerikas eine wichtige Bedeutung hat.

In meiner über WhatsApp kontaktierten Unterkunft kann ich bereits um 12.00 Uhr einchecken. Ich deponiere mein Gepäck im Zimmer und mache mich danach auf eine erste Erkundungstour in den Nationalpark. Es gibt einen 50 km langen Rundkurs durch den Park plus eine Stichstraße hinauf zur Laguna Verde. Mein Ziel ist diese Stichstraße, die mich auf 4.200 Meter bis zum Parkranger Gebäude bringt, ab wo nur Wanderer erlaubt sind. Die Schotterpiste ist in einem guten Zustand, und so rolle ich früher als gedacht auf der Stichstraße entlang der Bergkäme. Einerseits mit Blick auf die Schneegipfel und andererseits mit einem Weitblick in die Region des Chicamocha Canyon. Ab etwa 3.500 Meter tauchen dann erneut die Espelita Pflanzen auf, die ich schon in anderen Regionen in dieser Höhe in Kolumbien gesehen habe. Das Allerbeste dabei ist das Traumwetter, welches es mir ermöglicht, diese besondere Landschaft in ihrer vollen Pracht erleben zu können. Hier zeigt Kolumbien und auch Südamerika noch einmal eindrücklich, was für besondere Landschaften dieser Kontinent bietet. Eine gute Stunde später mache ich mich auf den Rückweg und bestelle nach Ankunft in meinem Hotel etwas zu Essen. Ich komme ins Gespärch mit der Inhaberin, wobei sie mir erzählt, dass sie schon mehrere Male in Europa war unter anderem auch in der Schweiz und dort auf dem Titlis. Nach dem Essen laufe ich ein wenig durch das Dörfchen und sehe dem Sonnenuntergang von der Verande meines Zimmers zu. Danach übermannt mich eine Müdigkeit und ich gehe ins Bett. Die Höhe und starke Sonneneinstrahlung fordern ihren Tribut.


Den Nationalpark El Cocuy verlasse ich über die Rundfahrt, die mich erneut auf 4.000 Meter hinaufführt. Oben angekommen, lege ich meine erste Aussichtspause ein. Dabei werde ich von Salsa Musik beschallt, die weiter unten aus dem einzigen Haus weit und breit erklingt. Laut ist in Kolumbien beliebt, egal wie abgeschieden es ist. In der Ortschaft El Cocuy gibt es ein Café mit Kaffeemaschine und somit wieder einmal einen leckeren Cappuccino. Anschließend verlasse ich über eine Schotterpiste den Nationalpark. Die Piste ist aber nicht irgendeine, sondern eine Panoramastraße, die mir laufend Aus- und Weitsichten auf die Schneeberge und die Canyon Landschaft verschafft. Schon fast nicht mehr real. Entsprechend lange benötige ich für die 25 km bis zur Passhöhe, die erneut über 4.000 Meter liegt, ziemlich lange. Zeitgleich ist die Passüberfahrt meine letzte Fahrt mit dem Motorrad über diese Höhe.

Es wird wohl einige Zeit dauern, bis ich wieder eine Motorradreise in Gebiete unternehme, die Straßen in diese Höhe aufweisen. Die Talfahrt nach Chita ist landschaftlich immer noch super, ist aber nicht zu vergleichen mit der vorherigen. Die kleine Ortschaft Chita liegt abseits der üblichen Wege, kann mit keinen Besonderheiten auftrumpfen und ist nur über Schotterpisten erreichbar. Entsprechend ursprünglich ist das Leben im Dorf. Viele Leute tragen die traditionellen Ponchos und sind entweder zu Fuß oder mit einem klapprigen Motorrad unterwegs. Meine Unterkunft erweist sich dagegen als richtig modern und mein Zimmer ist besser als manches andere. Abendessen und Frühstück serviert das Hotel ebenfalls. Bei den Preisen merke ich dann, wie abgelegen ich bin. Alles zusammen kostet lediglich € 16,00. Da bekomme ich beim Bezahlen schon fast ein schlechtes Gewissen.


Heute ist meine letzte Fahrt durch die Berg- und Canyon Landschaft. Mein Ziel, die Ortschaft Villa de Leyva, liegt 220 km weit entfernt. Dazwischen liegen 60 km Schotterpiste und tausende von Kurven. Es wird also ein langer Fahrtag. Ich starte früh, was mir anfangs einen kühlen Fahrtwind beschert. Wie an den Vortagen geht es auf teils steilen Abschnitten rauf und runter, immer begleitet von einer Landschaft, von der ich mich kaum sattsehen kann. Die nächste größere Ortschaft heißt Jerico und liegt auf 3.000 Meter. Davor gilt es für die Honda, einige Serpentinen mit rutschigem Untergrund zu bewältigen.

 

Am letzten Punkt mit Aussicht auf die zurückliegenden Strecke, halte ich für eine Trinkpause an. Gesellschaft leistet mir dabei ein Schäfer, der aus dem Gebüsch auftaucht. Ich plaudere etwas mit ihm, wobei es für mich nicht einfach ist, seinen Dialekt zu verstehen. Ihn kümmert das wenig, und er erzählt mir von seinem schwierigen Leben hier draußen. Das kann ich 1:1 nachvollziehen. Das Dorf Jerico selbst wirkt wenig einladend, weshalb ich einfach durchfahre. Drei Kurven später rolle ich an etlichen Sattelschleppern vorbei. Kein gutes Zeichen, wenn diese Fahrzeuge auftauchen. Einige hundert Meter später sehe ich den Grund dafür: eine Kohlemine oder, wie ich später feststelle, gleich mehrere. Leider ist ab jetzt Schluss mit geruhsamem Schotterpistenfahren. Entweder kommen mir die Schlepper entgegen oder kriechen vor mir her und stauben mich vollkommen ein. Überholen ist auf der Piste schwierig, zumal ich wegen des Staubs nicht so nahe auffahren kann, um zu überholen. Schöner Mist. Noch viel schlimmer ergeht es den Menschen, die entlang der Piste leben.

Täglich sind sie dem Staub ausgesetzt. Und nicht nur dem Staub der Straße, sondern auch dem Kohlestaub. Die Sattelschlepper fahren alle mit offener Ladung, wodurch der schwarze Staub überall verteilt wird. In der kommenden Ortschaft ist das gut zu sehen. Die Straße ist mit einer schwarzen Schicht übersät, und die Hauswände sind schwarz eingefärbt. In der Ortschaft Paz de Rio wird neben der Kohle noch anderes Material aus den Bergen abgetragen. Über dem Ort schweben die Transportbahnen, unten auf der Straße herrscht LKW-Großverkehr und eine museumsreife Eisenbahn rollt über verrostete Schienen. Hier hält mich gar nichts und ich bin froh, dass die Straße mittlerweile geteert ist und ich dadurch schneller und staubfrei vorwärtskomme.

 

In Villa de Leyva angekommen, beziehe ich ein Zimmer in einem kleinen Hotel mit Garage. Beim Einchecken erzählt mir der Besitzer, dass er aus Spanien kommt und ist früher ebenfalls mit dem Motorrad herumgereist ist. Deshalb bekomme ich das Zimmer einiges günstiger als auf Booking.com ausgeschrieben. Das freut mich, denn die Preise in Villa de Leyva sind hoch. Bogotá liegt lediglich drei Fahrstunden von hier entfernt, und das historische Dorf mit dem größten Dorfplatz in Kolumbien zieht jedes Wochenende unzählige Besucher aus der Hauptstadt an. Das wirkt sich auf die Preise aus. Ich miete mir das Zimmer für vier Nächte. Einerseits brauche ich nach den anstrengenden Fahrtagen durch die Canyon- und Bergwelt eine Pause, und andererseits muss ich meine Heimreise organisieren, vor allem auch, was mit der Honda passiert.



Route und Downloads

Download
Track Chicamocha Canyon & Sierra Nevada
XML Dokument 6.4 MB
Download
POI Chicamocha Canyon & Sierra Nevada El
XML Dokument 50.4 KB