Zurück in die Anden

Der Weg zurück in die Andenwelt nördlich von Bogotá ist weit und landschaftlich wenig interessant. Ich fahre deshalb eine kleine Schlaufe und besuche die Ortschaft Mompox, die mitten in einem riesigen Sumpfgebiet direkt am Fluss Magdalena liegt. Die Ortschaft gilt als die am besten erhaltene Kolonialstadt Kolumbiens, jedoch ohne Touristenrummel. Dies liegt daran, dass sie abseits von den üblichen Touristenrouten liegt. Nur wer explizit die Ortschaft besuchen will, kommt hierher.

 

Schon morgens um 09:00 Uhr drückt die Hitze und ich bin froh, dass heute Sonntag ist und es kaum Verkehr gibt. So bläst mir bald der etwas kühlende Fahrtwind durch die offenen Reisverschlüsse meiner Motorradkleider, weil ich auf der gut ausgebauten Verkehrsachse in Richtung Bogotá mit angenehmen 80 km/h fahren kann. In den kleineren und größeren Ortschaften entlang der Route geht es dafür langsam vorwärts. Die Lastwagen werden durch die hohen Bremsschwellen auf der Fahrbahn zum Schritttempo gezwungen, und das gleich auf beiden Fahrbahnen gleichzeitig. Rechts überholen geht nicht immer, weil dort Verkaufsstände die Durchfahrt blockieren.

Nach der Hälfte der Strecke verlasse ich die Verkehrsachse und kurve auf weiteren recht gut unterhaltenen Fahrbahnen ins Sumpfgebiet hinein. Viel Wasser bekomme ich aber erst zu Gesicht, als ich den Fluss Magdalena überquere und kurz darauf in Mompox ankomme. Meine Bleibe liegt in einem alten Kolonialhaus mit einem hübschen, schattigen Innenhof. Der ist nötig, weil es in diesem Gebiet ohne Küstenwind noch heißer und drückender ist. Ich ruhe mich ein wenig von der Hitzefahrt aus und gehe danach auf eine erste Erkundungstour. Schon nach ein paar Ecken zeigt sich, dass die Ortschaft hält, was über sich geschrieben wird. Jeder Straßenzug beherbergt wunderschöne Kolonialhäuser. Und da kaum jemand sonst unterwegs ist, kann ich mitten in den Gässchen umherspazieren. Am Fluss entlang hat sich eine kleine Restaurantmeile gebildet, die als einziges darauf hindeutet, dass es zeitweise einige Besucher geben muss. Jedoch nicht heute, und ich bin sowohl im Café als auch im Restaurant beim frühen Abendessen der einzige Gast. Eine Wohltat nach dem Rummel an der Küste.

 


Klicke auf das jeweilige Bild für eine Bildvergrösserung und Beschreibung

Für mein Frühstück muss ich mich auswärts umsehen, weiß jedoch, dass ich im Café von gestern fündig werden sollte. Der Inhaber meinte jedenfalls, dass sie ab 07:30 Uhr geöffnet haben. Als ich um 08:00 Uhr dort bin, schiesst gerade eine Mitarbeiterin den eisernen Rollladen auf. Sie erkennt mich wieder und sagt, ich könne mich auf die Mauer setzen und gleich bestellen. Hier ticken die Uhren aber definitiv anders. Ein Schwatz mit dem Früchtemann, mit dem Straßenreiniger, mit der Nachbarsfrau und mit einer Person, die gerade vorbeiläuft, lässt die Zeit verstreichen. Ich nehme es gelassen oder, wie man überall in Südamerika sagt, tranquillo. Schön zu sehen, wie ungestresst es hier zugeht. Bei der Hitze geht das auch nicht anders. In diesem Rhythmus verläuft mein gesamter Tag in Mompox. Gemächlich und immer wieder an einem schattigen Ort ausruhen und dem Dorfleben zuschauen.

Zur Abklühlung trägt ein mit viel Eis gekühlter Jugo bei oder eine Früchteschale mit Eis und Käse. Ja richtig. Käse. Eis mit Käse gab es schon in Ecuador überall und ich kam nie dazu, es zu probieren. In Kolumbien ist dies ebenfalls populär. Schmeckt gewohnheitsbedürftig und meine Lieblingsspeise wird es nicht.

 

Dieser Mix von altem Kolonialstil und relaxtem, ursprünglichen Dorfleben verleiht Mompox ein unvergessliches Flair, das ich nicht so schnell vergessen werde. Romantisch ist es jedoch nicht und das Leben hier ist vermutlich für viele nicht einfach. Etliche Häuser sind nicht renoviert und in einem schlechten Zustand und werden weiterhin bewohnt. Wieder andere leben auf der Straße und baden morgens im Fluss. Jedoch spiegelt die Ortschaft das normale Leben in einer geschichtsträchigen Gemeinde wider.


Der erste Teil meiner Weiterfahrt zurück in die Anden verläuft durch das Sumpfgebiet und bietet mir die eine oder andere Brückenüberquerung mit Sicht auf die Wasserstraßen. Wieder zurück auf der Hauptverkehrsachse nach Bogotá dominieren einmal mehr die LKW mein Blickfeld. Bei der Ortschaft Sabana de Torres biege ich ab und beziehe in einem einfachen, aber zweckmäßig eingerichteten Hotel ein Zimmer für die Nacht. Morgen möchte ich von hier über eine alte Eisenbahnstrecke schottern, die neben dunklen Tunneln einige spektakuläre Brücken im Stil des Viadukts aufweist, welches ich in der Nähe von Medellin auf der dortigen ehemaligen Zugstrecke überquert habe.

Mitten in der Nacht weckt mich prasselnder Regen, der bis zum Morgen anhält. Schlecht für mein Vorhaben über die Eisenbahnstrecke. Diese ist schon im trockenen Zustand nicht ungefährlich und bei Nässe eigentlich ein No-go. Mein Kopf lässt aber eine Absage nicht einfach zu, weshalb ich die Entscheidung um eine Stunde verschiebe in der Hoffnung, dass sich bis dahin hoffentlich die Sonne wieder zeigt. Daraus wird nichts. Wenigstens regnet es die Stunde durch, was die Entscheidung fürs Nichtfahren einfacher macht. Und so rolle ich etwas später schon wieder auf der Hauptstraße bis nach Giron, wo es dann morgen hoffentlich ohne weitere Verhinderungen auf die erste Bergstrecke durch die Anden geht.


Endlich sieht meine Routenplanung auf der digitalen Karte wieder nach vielen Kurven und Höhenmetern aus. Das gefällt mir. Draußen ist es zwar noch neblig, und es rieselt ein wenig. An meinem Zielort scheint jedoch die Sonne, wie mir sowohl Bee und Wolfgang von ride2kite als auch Jenny und Richardt von OneWorld2Up beim Frühstück schreiben. Sie waren die letzten Tage gleichzeitig in Barichara, meinem heutigen Ziel, und haben sich dadurch getroffen. Leider fahren sie heute alle weiter.

 

Mein kleines Hotel in Giron bietet keine Morgenverpflegung an, weshalb ich um drei Straßenecken zur nächsten Panaderia laufe, wo ich verköstigt werde. Eine Stunde danach rolle ich wieder einmal durch den Empfangsbereich und über zwei Treppen auf die Straße. Wegen einer fehlenden Garage durfte die Honda neben dem Empfang die Nacht verbringen. Wäre ich jetzt noch nicht wach, würde mich das Gerüttel der Kopfsteinstraßen von Giron wecken. Die Steine sind viel größer und unförmiger als bei uns, was die Fahrt darüber interessant macht, muss man doch gut aufpassen, wie man darüberfährt. Sonst kann es gewaltig am Lenker schütteln.

 

Bevor es hinaus in die Bergwelt geht, stoppt mich ein Stau bei einer Umfahrung. Nach fünf Minuten stehe ich immer noch am gleichen Ort ohne Aussicht auf baldige Besserung. Ich schließe mich deshalb der Slalomfahrt der anderen Motorradfahrenden an und zirkle mich an und zwischen den LKW, Bussen und Autos hindurch, bis ich zur roten Ampel. Unter den Zweiradfahrenden bin ich der Einzige, der anhält. Alle anderen brettern einfach weiter und quetschen sich ganz rechts am Gegenverkehr vorbei. Nur im Gegenverkehr hat es mindestens ebenso viele Motorradfahrende. Die quetschen sich links am einspurigen Verkehr vorbei. Das funktioniert nicht, weshalb zwar die Zweiräder irgendwie vorwärtskommen, die Autos, Busse und LKW jedoch wegen ihnen stecken bleiben. Was für ein Chaos. Irgendwann schaffe ich es durch den Trubel hindurchzukommen und dem Stadtverkehr zu entfliehen. Zehn Minuten später habe ich es schon wieder vergessen, weil mich die Straße kurvenreich durch die Hügelwelt lotst. Das erste große Highlight des Tages folgt kurz darauf. Die Straße windet sich über viele Serpentinen hinunter zum Rio Sagomoso.

Dort wartet eine lange Brücke für die Flussüberfahrt und dahinter windet sich die Strecke wieder die Berge hinauf nach Zapatoca, wo ich eine kleine Pause in einem Café am Dorfplatz einlege. Der Rio Sagomoso bildet sich durch den Zusammenfluss des Rio Suarez und Chicamocha. Alle diese Flüsse fließen durch den 227 Kilometer langen Chicamocha Canyon, der zweitgrößte dieser Welt. An manchen Stellen ist er sogar tiefer als der Grand Canyon. Gewaltige Ausmaße, von denen ich heute nur einen winzigen Teil gesehen habe. Diese Schlucht wird mich jedoch über die nächsten Tage weiter begleiten. Ab Zapatoca ist fertig mit Teer. Anfangs ist die Piste recht feucht, was sie teilweise rutschig macht. Je näher ich nach Barichara komme, umso mehr hellt das Wetter auf, und die starke Sonne trocknet die Piste rasant aus. Die Strecke verläuft weit oben dem Rio Suarez entlang und bringt mich zu zwei abgelegenen Dörfern. Im Zweiten erwarten mich am Dorfeingang verschiedene Steinskulpturen, die zusammen wohl eine Dorfgemeinschaft abbilden. Lustige Idee.

 

Barichara liegt auf der gegenüberliegenden Flussseite am Rande der riesigen Schlucht. Die Piste führt deshalb stark abfallend nach unten zu einer weiteren Brücke. Dahinter wird die Piste schmaler, rumpliger und führt mich durch einen Flusslauf hindurch, der zum Glück nicht allzu viel Wasser hat. Auf dem Plateau angekommen, halte ich zuerst am Aussichtspunkt direkt am Plateaurand. Von hier oben lässt sich die gigantische Dimension des Canyons ein wenig erahnen. Auf der anderen Seite kann ich die beiden Dörfer erkennen, die ich durchquert habe. Beim Staunen über die Weitsicht spricht mich ein amerikanisches Paar auf meine Honda an, und wir kommen ins Gespräch. Eine halbe Stunde später stelle ich den Motor bei meiner Unterkunft ab und beziehe ein angenehm großes Zimmer mit einem Freiluftbad. Das Badezimmer verläuft nach hinten hinaus und hat lediglich vier Wände, aber kein Dach. Böse Zungen würden jetzt behaupten, dass das Geld nicht mehr für das Dach gereicht hat. Ich gehe jedoch davon aus, dass die Ausrichtung des Hotels, wie es in der Beschreibung steht, explizit darauf verzichtet hat, damit, wie sie schreiben, die Besucher der Natur etwas näherkommen. Auf alle Fälle ein neues Gefühl beim Gang ins Bad.


Barichara genießt den Ruf, die schönste Stadt Kolumbiens zu sein. Die mit roten Steinen gepflasterten Straßen, das gemächliche Tempo und die Aussichten in die Umgebung verleihen dem Ort einen unvergesslichen Touch. Hinzu kommt ein warmes und trockenes Klima, das jeden Besuch angenehm gestaltet.

 

Nach dem Frühstück gehe ich auf eine Kreuz und Quer Erkundungstour. Abseits des Dorfplatzes bin ich oft allein in den Gassen unterwegs, was mich überrascht. Ich hätte einiges mehr an Besuchern erwartet, zumal heute Freitag ist und am Wochenende meist viel mehr los ist als unter der Woche.

Ich bekomme sogar ohne Probleme einen freien Tisch auf der Aussichtsterrasse des einzigen Restaurants am Plateaurand und erhalte bei einer unschlagbaren Aussicht ein leckeres Nudelgericht mit Gemüse und Parmesankäse zu einem unschlagbaren Preis von € 7.00 inklusive Getränk.

 

Wieder auf dem Dorfplatz setze ich mich auf eine Bank und schaue dem beschaulichen Treiben zu. Bevor ich zurück in die Unterkunft gehe, statte ich dem Supermarkt einen Besuch ab, um meine Reisevorräte aufzufüllen. Den Rest des Tages relaxe ich und plane meine morgige Tour durch den Chicamocha Canyon.



Route und Downloads

Download
Track Zurück in die Anden.gpx
XML Dokument 2.1 MB
Download
POI Zurück in die Anden.gpx
XML Dokument 41.7 KB