Karibikküste

Die Unterkunftspreise in Cartagena sind hoch, weshalb ich mir außerhalb der Altstadtmauern ein Airbnb miete. Das Apartment liegt im 15. Stock eines neueren Hochhauses und bietet einen Dach Pool im 27. Stock mit toller Aussicht. Ist zwar auch nicht billig, aber es bietet wenigstens viel Platz, sicheren Parkplatz, eine Waschmaschine und eben Aussicht. Ich bin gespannt. Die Fahrt dahin verläuft unspektakulär. Die Landschaft bietet wenig Abwechslung. Dafür fordern die schlecht unterhaltenen Straßen und der Verkehr in den Ortschaften meine Aufmerksamkeit. Die Brücke über den Rio Sinu verläuft nur einspurig, weshalb auf dem höchsten Punkt der Brücke ein Person mit roter und grüner Flagge steht. Sichtbar ist die Person jedoch erst, wenn man schon auf der Einspurigen Brücke ist. Hebt sie rot, heisst dies für die Autofahrer rückwärts zurück.

Das Erste, was ich von Cartagena zu Gesicht bekomme, sind unzählige Hochhäuser, die sich links und rechts von der Altstadt entlang der Küste erstrecken und von Weitem sichtbar sind. Der Verkehr auf der Hauptverkehrsachse ist schleppend, was bei über dreißig Grad und hoher Luftfeuchtigkeit keinen Spaß macht. Völlig durchgeschwitzt gelange ich irgendwann zu der Unterkunft und checke beim Empfang des Hochhauses ein. Das läuft reibungslos, inklusive Parkplatz in der Tiefgarage. Das Apartment hält, was auf Airbnb versprochen wurde, und nach einer Erfrischungsdusche schlürfe ich einen Kaffee auf der Terrasse. Anschließend besorge ich einige Lebensmittel im nahen Supermarkt und verbringe den restlichen Nachmittag auf der Dachterrasse, wo ein ziemlich kräftiger Wind für Abkühlung sorgt.


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Den Morgen verbringe ich mit Wäsche waschen. Vor allem die Motorradklamotten haben es dringend nötig. Wieso die Wohnung einen Trockner eingebaut hat, bleibt mir schleierhaft. Mit der Hitze und dem Wind, der hier im 15. Stock über die Terrasse fegt, trocknet alles in Kürze. Dazwischen verabrede ich mich mit Jenny und Richard, dem englisch-neuseeländischen Paar, das ich bereits in der Tatacoa-Wüste und in Salamina getroffen habe. Über Facebook habe ich gesehen, dass sie ebenfalls in Cartagena sind. Wir treffen uns um 17.00 Uhr in einem Lokal in der Altstadt für ein frühes Abendessen.

 

Nach einem leichten Lunch bestelle ich mir einen Uber, der mich in wenigen Minuten in den alten Stadtteil bringt. Die alte Stadt hinter den Stadtmauern gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe und wird auch oft als die Perle der Karibik oder als die schönste Stadt von ganz Südamerika bezeichnet. Entsprechend bin ich gespannt, was mich erwartet. Ich starte meinen Rundgang im Viertel Getsemaní, welches bis vor wenigen Jahren zu unsicher für einen Besuch war. Mittlerweile hat sich eine alternative Szene gebildet, die das Viertel tagsüber so sicher macht, dass man es aufsuchen kann. Es liegt noch außerhalb der eigentlichen Stadtmauer und war früher wohl das Zuhause der Unterschicht, die nicht durch die Stadtmauern vor den Piraten geschützt wurde. Der Uber entlässt mich in ein buntes, enges Gassengewirr, dem man ansieht, dass es erst seit einigen Jahren Aufwind bekommt. Dieser Mix macht es interessant, und ich spaziere einfach kreuz und quer durch die vielen Gassen. Eine Stunde später schlendere ich, in der Hitze ist schnelles Gehen schweißtreibend, zum Uhrenturm, unter dem ich durch die Stadtmauern in die eigentliche Altstadt komme. Schlagartig ist Schluss mit dem geruhsamen Spaziergang durch die Gassen. Schon beim Durchgang der Stadtmauer belagern mich unzählige Stadtführer, die mir ihre Dienste auf teils penetrante Art andrehen wollen. Als ich sie abgewimmelt habe, laufen mir bereits die nächsten Verkäufer nach, die ihre Drinks und Snacks anbieten. Und dann taucht ein Jugendlicher neben mir auf, der wissen will, woher ich komme. Ich gebe ihm zur Antwort, dass dies nicht wichtig sei, was ihm egal ist, weil er nur ein Schlagwort von mir wollte, damit er mit seinem Rap beginnen kann. Sein Kollege hinter ihm lässt dabei die Musik aus einer BumBum-Box laufen. Und so folgen sie mir die nächsten 100 Meter auf Schritt und Tritt und wollen danach natürlich Geld. Ich drücke ihnen einige Münzen in die Hand, was sie mit ein kurzen Enttäuschungsrap quittieren. Aus dem Augenwinkel heraus sehe ich bereits die nächste Rap-Gruppe, die mich ins Visier genommen hat. Ihnen weiche ich aus, indem ich schnurgerade in den nächsten Laden hineingehe. Als sie sich andere Touristen ausgesuchen, gehe ich wieder hinaus und laufe auf dem direktesten Weg zu einem Café, dass ich mir heute Morgen auf Google herausgesucht habe. Solange ich zielgerichtet durch das Getümmel gehe, werde ich mehrheitlich in Ruhe gelassen. Im kühlen Innenraum des Cafés bestelle ich mir einen Cappuccino. Mit einem solchen Touristenrummel habe ich nicht gerechnet und wurde prompt auf dem falschen Fuß erwischt. Von der eigentlichen Altstadt habe ich dadurch bis hierher ins Café nicht viel mitbekommen, was mir gar nicht gefällt. Bis zum Treffen mit dem englischen Paar habe ich noch eine Stunde Zeit.

Damit ich nicht dauernd angesprochen werde, laufe ich deshalb wie vorhin zielgerichteter durch die Gassen. Das macht zwar viel weniger Spaß, weil ich immer herumschauen muss, wo irgendwelche Verkäufer auf mich warten, dafür habe ich niemanden mehr im Schlepptau. Als ich etwas abseits der bekannten Plätze komme, wird es ruhiger und ich kann wieder langsamer werden und mich mehr umschauen. In einer der kleinen Gassen ertönt hinter durch ein lautes Mikrofon die Stimme eines englischsprechenden Touristenführers. Ich drehe mich um und sehe eine Wagenkolonne alter amerikanischer Cabriolets durch die Gasse kriechen, in denen sich Touristen von den Kreuzfahrtschiffen, die haufenweise Cartagena anlaufen, durch die Altstadt fahren lassen. Im hintersten Wagen schreit der Guide durch sein Mikrofon die Informationen über die Wagen hinweg. Weiter fällt mir auf, dass in den alten Gebäuden nur noch Shops für die ausländische Touristen, schicke Restaurants oder teure Hotels bestehen. Für die lokalen Verkäufer bleiben lediglich die Gehsteige übrig, die sie mit ihren kleinen tragbaren Verkaufsständen vollstopfen. Dadurch muss ich oft auf die Straße ausweichen, auf der jedoch Taxis und Lieferwagen verkehren. Als ich um 17.00 Uhr im Restaurant ankomme, wo ich Jenny und Richard treffe, bin ich von der sogenannten Perle der Karibik ziemlich enttäuscht und würde sie jetzt gerade eher als die am meisten durch den Tourismus ruinierte Altstadt der Karibik bezeichnen. Die Geschmäcker sind jedoch verschieden, wie ich nachher beim Abendessen mit den beiden wieder einmal merke. Sie finden die Altstadt mit ihrem quirligen Leben spannend und schön.

 

Neuer Tag, neuer Versuch. Ich lasse mich erneut mit einem Uber zu den Stadtmauern fahren und halte mich bewusst in den Gassen auf, wo es weniger Trubel gibt, weil sie weniger bieten. Das ist zwar einiges angenehmer als gestern, aber überzeugen kann mich dieser Teil ebenfalls nicht. Da gefällt mir Cuenca in Ecuador oder Cusco in Peru viel besser. Gerade Cusco, das ebenfalls seit vielen Jahren ein Touristenmagnet ist, hat viel mehr von seinem ursprünglichen Charme behalten als dies in Cartagena der Fall ist. Vermutlich hat dies mit den Kreuzfahrttouristen zu tun, die täglich zu Hunderten für lediglich ein paar Stunden in die Altstadt Cartagenas strömen. Das ist in Cusco oder Cuenca nicht der Fall.

 

Nebenbei versuche ich einen Ersatzzündschlüssel aufzutreiben. In einem kleinen Kaufhaus finde ich einen Schlüsselservice. Ich frage, ob sie mir einen solchen Schlüssel nachmachen können, worauf der Inhaber den Kopf schüttelt und meint, einen solchen Schlüssel habe er nicht. Ich schaue an die Wand hinter ihm, wo etliche ähnliche Schlüssel wie meiner hängen. Stelle jedoch fest, dass diese keine Rohlinge sind, sondern alles bereits gefertigte Schlüssel. Auf meine Frage, ob er denn keine Schlüssel nachmachen könne, schaut er mich verdutzt an und schüttelt energisch den Kopf. Es sieht so aus, als ob sie nur vorgefertigte Schlüssel verkaufen und gar keine nachmachen können. Das mit einem neuen Ersatzschlüssel wird wohl nichts. Im kleinen Claro-Shop gegenüber habe ich dafür mehr Glück und kann mein Datenpaket um weitere vier Wochen verlängern.


In Cartagena hält mich nichts länger, weshalb ich meine weitere Route entlang der Küste bis zum Nationalpark Tayrona, einer der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten in Kolumbien, plane. Derzeit ist der Park jedoch geschlossen. Zwei- bis dreimal im Jahr gönnt man der Landschaft und Tierwelt zwei Wochen Ruhe vor dem Touristenrummel. Zudem ist das Gebiet für die indigene Bevölkerung ein heiliger Ort, den sie während dieser Zeit beanspruchen können. Mein Ziel ist die kleine Ortschaft Palomino, die vor allem Rucksackreisende anzieht und einen schönen Strand haben soll.

 

 

Ich habe nicht viele Streckenoptionen, da der Rio Magdalena mitten durch meine Route führt und es nur bei der Großstadt Barranquilla eine Brücke gibt. Die Nächste befindet sich erst wieder 230 km weiter südlich. Dazwischen gibt es einige Fährverbindungen, bei denen unklar ist, ob sie noch in Betrieb sind oder wann sie fahren. Daher bleibe ich auf der Hauptstraße. Die Landschaft mag nicht besonders sein, aber ich komme voran, was bei der Hitze für Fahrtwind sorgt, und ich die Strecke von etwas mehr als 300 km problemlos bewältigen kann. Entlang der Route gibt keine besonderen Sehenswürdigkeiten, außer vielleicht dem kleinen Vulkan Lodo el Totumo. Über eine Treppe kann man zum Krater hinauflaufen und dort über eine weitere Treppe in den Krater hinabsteigen, um im Lavaschlamm zu baden. Das Badeerlebnis ist für mich weniger interessant, aber ich kann es mir anschauen. Tatsächlich handelt es sich um einen Minivulkan, der über eine Treppe zugänglich. Touristen werden per Bus herangebracht, um im Schlamm zu suhlen. Jeder wie er mag.

 

In Barranquilla, der viertgrößten Stadt Kolumbiens,  möchte ich so gut wie möglich umfahren. Das läuft anfangs gut, bis ich auf die nagelneue Straße entlang des Rio Magdalena komme. Neben der Straße entsteht eine kilometerlange Flusspromenade mit verschiedenen Attraktionen. Unter anderem steht hier die vor ein paar Monaten eingeweihte Riesenstatue von Sharika, die aus Barranquilla stammt. Es gibt kaum Verkehr, was mich positiv stimmt und ich die Brücke über den Fluss ohne Stau erreichen kann. Doch dann stoße ich auf Fahrverbotsschilder für Motorräder, die plötzlich nach einem Kreisel am Straßenrand auftauchen. Zuerst ignoriere ich sie. Dann hupen jedoch immer mehr Autofahrer und geben mir Zeichen, dass ich hier nicht fahren darf. Vermutlich kontrolliert die Polizei das Fahrverbot regelmäßig, weil normalerweise niemand etwas sagt, wenn man die Verkehrsordnung nicht einhält.

Bei den nächsten Kreisverkehren fahre ich deshalb von der Promenade ab und schaue auf dem Navigationsgerät nach, wie weit ich in Richtung Stadtmitte fahren muss, bis ich auf die nächste Verkehrsachse zur Brücke gelange. Das sieht nur nach ein paar hundert Metern aus. Diese haben es jedoch in sich, weil die Straße mich in ein herunter gekommenes Viertel führt. Überall liegt Müll herum und auf den Gehwegen sitzen verwahrloste Gestalten. Da bin ich froh, dass mich keine Rotlichtanlage zum Halten zwingt und ich durchfahren kann, bis die Situation einige Kilometer später wieder etwas normaler aussieht. Den dazwischen überquerten Fluss habe ich wegen des vielen Mülls darin nicht gesehen. Er war komplett mit Abfall bedeckt. Über die Brücke besteht dann zum Glück kein Motorradverbot, und so düse ich darüber und hinaus aus der Stadt. Leider nimmt der Schwerverkehr ab der Brücke drastisch zu, da ich jetzt auf der einzigen Verkehrsachse zwischen den Städten Barranquilla und Santa Marta bin. Schade, führt die Strecke doch entlang dem Meer und teilweise über einen schmalen Damm. Wenn der Verkehr es zulässt, lege ich dennoch den einen oder anderen Stopp ein und entdecke dabei einen Krabbenfischer. Auf dem schmalen Damm liegen drei kleine, an die Straße gequetschte Ortschaften, die sich gegenseitig den Titel streitig machen, wer am meisten zugemüllt ist. Abartig, wie in diesem Teil Kolumbiens das Abfallproblem im Vergleich zu anderen Regionen ein Problem ist. Das liegt wohl daran, dass diese Region die ärmste in Kolumbien ist, obwohl der Tourismus an der Küste seit Jahrzenten viel Geld einbringt. Leider profitiert die Mehrheit nicht davon. Bei Santa Marta funktioniert die Umfahrung ohne Fahrverbote und einige Kilometer später fahre ich entlang des dschungelähnlichen Nationalparks Tayrona. In Palomino angekommen, biege ich in die Dorfhauptstraße ein, die nicht geteert ist. Meine Unterkunft liegt einige hundert Meter weiter. Auf dem Weg dorthin bekomme ich das Gefühl, in ein Hippiedorf der 80er Jahre in Asien einzutauchen, welche ich mehrere davon als Rucksacktourist in meinen frühen 20ern bereist habe. Als ich dann im Hostal ein Zimmer mit Schilfdach bekomme, ist das Déjà-vu komplett. Nach der schon fast obligatorischen Erfrischungsdusche vertrete ich mir die Beine und laufe die 1 ½ km lange Dorfstraße bis zum Strand hinunter. Vorbei an halb zerfallenen Hütten, schicken Hotels, neuen Cafés und Restaurants, Hippie-Hostals und vielen kleinen Ständen, an denen vorwiegend ältere Aussteiger aus aller Welt ihren selbstgebastelten Schmuck anbieten. Wieder zurück in der Unterkunft entscheide ich mich, eine weitere Nacht zu bleiben. Die Stimmung ist entspannt und der Ort ist nicht überfüllt. Genau richtig, um mich von der heute verkehrsreichen Fahrt etwas zu erholen.


Mein Relax-Hippie-Tag hält, was er verspricht. Rumhängen, Plaudern mit dem Hostal Inhaber, der über 30 Jahre lang in Europa gelebt hat und perfekt Englisch spricht, ein ausgiebiger Strandspaziergang und ein leckeres Essen in einem der Restaurants. Es fühlt sich verlockend an, noch mehrere Tage hier zu bleiben. Jedoch merke ich, dass mir die gesamte Karibikküste nicht gefällt und ich lieber wieder zurück in die kolumbianische Andenwelt fahren möchte. Dazwischen liegt eine lange Strecke, die nicht viel bietet, außer Mompos, bekannt als die außergewöhnlichste Kolonialstadt in Kolumbien. Die Strecke dorthin ist jedoch weit, daher fahre ich heute zurück bis Santa Marta und übernachte dort. Als kleine Schlaufe kurve ich vorher hinauf zum Dorf Minca, das auf 600 Metern in den Sierra Nevada Bergen liegt. Das erfrischende Klima zieht die lokale Bevölkerung von der Küste an und für ausländische Touristen ist Minca der Ausgangspunkt für die mehrtägige Wanderung zur verlorenen Stadt im Dschungel der Sierra Nevada.

Diese Wanderung steht jedoch vermutlich bei fast allen Rucksacktouristen auf der To-do-Liste, weshalb die verlorene Stadt schon lange nicht mehr einsam und verlassen in der Bergwelt liegt. Von der Fahrt hinauf erhoffe ich mir einige schöne Ausblicke auf die Küste, was mir leider verwehrt bleibt. Einerseits ist es dunstig und andererseits versperrt fast überall das Gebüsch die Weitsicht. In Minca angekommen, erwartet mich ziemlicher Trubel, heute in Sonntag, weshalb ich gleich wieder umkehre und nach Santa Marta düse, wo ich den Rest des Nachmittags in der Unterkunft verbringe. Dazwischen fülle ich meinen Reiseproviant im großen Supermarkt um die Ecke auf. Zu meiner Überraschung bekomme ich in der Früchteabteilung das erste Mal, seit ich in Kolumbien bin, Mangostane. Eine der Früchte, die wir auf unserer Exotik-Früchtetour in Bogotá probiert haben und die ich lecker fand. Leider musste ich in den letzten Wochen feststellen, dass man in Kolumbien nicht an vielen Orten ihre eigenen exotische Früchte kaufen kann.



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