Rauf und runter durch die Anden

Die letzten zwei Nächte konnte ich gut schlafen und meine anfänglichen Kopfschmerzen sind ebenfalls seit zwei Tagen verschwunden.

 

Es scheint, dass sich mein Körper erneut gut an die Höhe gewöhnt hat. Zeit aufzubrechen.

 

Doch zuerst schlemmere ich ausgiebig mein Frühstück auf der Aussichtsterrasse meiner Unterkunft. Die Terrasse ist rundum verglast und lässt der Sonne vollen Spielraum, um den Raum aufzuwärmen.

 

Nachts fällt das Thermometer auf ungefähr fünf Grad, was in den ungeheizten Häusern recht kühl ist. Da kommt die Morgensonne gerade richtig.

 

Die Honda ist bald darauf gepackt und eine halbe Stunde später liegt Cusco mit seinem brodelten Verkehr hinter dem Hügel, den ich gerade erklommen habe.

 

Mein Ziel sind die Curvas de Huanchaca, die einst zu den gefährlichsten Strassen in Peru gehörten.

 

Heute ist die Strecke geetert, jedoch einspurig. Das macht sie nicht weniger gefährlich, weil jetzt die einheimischen Autofahrer teils wie die Irren auf diese Strässchen unterwegs sind.

 

Und so wundert es mich nicht, dass ich bereits im ersten Anstieg auf der einspurigen Strasse an einem Unfall vorbeizirkle, wo ein Lastwagen ein entgegenkommendes Auto voll gerammt hat. Ausser Blechschaden ist zum Glück nichts passiert.

Ein Grund mehr mein gedrosseltes Tempo beizubehalten und in jeder Kurve so rechts wie möglich zu bleiben.

 

Abends bin ich froh, dass ich mich konstant darangehalten habe, sonst wäre meine Reise vermutlich jetzt zu ende.

 

Die 24 Haarnadel-Curvas sind auch geteert eine coole Strecke und die Aus- und Weiblicke sind genial.

 

1'000 Meter weiter unten am Rio Apurimac angekommen, führt nach der Brücke eine weitere kurvenreiche einspurige Strecke wieder 1'300 Höhenmeter hinauf zur kleinen Ortschaft Cotabambas, wo ich in einem kleinen Hotel ein Zimmer bekomme.

 

Für einmal bleibt die Honda draussen auf der Strasse stehen, was in diesem ruhigen Dorf kein Problem ist.

 

Abends bekomme ich im Restaurant, dass im gleichen Haus eingemietet ist, ein leckeres Huhn aus dem Offen mit den üblichen Beilagen, Reis, Pommes Frites und einen kleinen Salat mit Tomaten, Gurken und Rüben.

 

Als das Wirtepaar merkt, dass ich einigermassen Spanisch kann und keine andere Gäste kommen, setzen sie sich zu mir hin, schlemmen ihr eigenes Nachtessen und fragen mich das eine und andere über die Honda, meine Reise und das Leben in Europa.

 

Im Gegenzug versuche ich etwas über ihr Leben im Dorf zu erfahren, was nicht einfach ist, weil sie sich nicht gewöhnt sind, solche Fragen gestellt zu bekommen.


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Bei der Planung der weiteren Route bis nach Abancay ist mir bereits aufgefallen, dass ich auf den 200 Km mehr als 5'000 Höhenmeter überwinden darf. Davon mehrheitlich auf Schotterpisten. Das wird ein langer Tag.

 

Die Wettervorhersagen sind so weit ok, dass keine grosse Schlechtwetterfront herandüst, sondern lediglich regionale  Schauer erwartet werden.

 

Das Frühstück fällt in der Unterkunft aus, weshalb ich die Hälfte meiner Crackers plündere und diese mit Wasser runterspüle.

 

Dafür sitze ich um 07.00 Uhr im Sattel meiner Honda und biege kurz darauf auf die Schotterpiste ab, die mich im Morgendunst hinauf auf 4'200 Meter bringt.

Oben angekommen, verzieht sich die grauen Nebel- und Regenwolken und machen der Sonne mit ihren wärmenden Strahlen Platz. Gerade richtig für die eindrückliche Landschaft und Aussicht.

 

Und von da an geht es bergab bis auf 2'400 Meter zum Rio Coyllurqui. Vorbei an einigen Dörfern, die grösser und moderner sind als ich erwartete.

 

Am Fluss muss ich eine Pause einlegen und eine Schicht Kleider ausziehen, weil mir mittlerweile die Wärme den Schweiss aus den Poren drückt.

 

Zudem meldet sich mein Magen, weil er Kaloriennachschub möchte, da die Ration Crackers zum Frühstück nicht lange den Hunger stillen.

 

Über den Fluss führt eine Betonbrücke, wie angenehmen.

Anschliessend beginnt die Kurvenfahrt erneut nach oben, bis mein Navi eine Höhe von 4'100 Meter anzeigt.

 

Ein faszinierendes Gefühl, am Fluss unten eingeklemmt zwischen den Bergen zu sein und dann langsam anzusteigen bis auf die Höhe der umliegenden Gipfel.

 

Dabei muss die Honda einiges leisten und ich frage mich manchmal, wie lange der kleine Einzylinder Motor meine auf und ab Routenplanung noch aushält.

 

Kaum daran gedacht, blinkt die Benzinlampe auf. Auch der Honda Magen braucht Kaloriennachschub.

 

Ich lege eine weitere Pause ein und fülle die 5 ½ Liter Benzin von der Benzinblase in den Tank. Kaum drin fällt mir ein, dass dies eine schlechte Idee war, weil der Tank nun wieder fast voll ist und dadurch mit dem Schotterstrassengerüttel etwas Benzin in den Aktivkohlefilter überschwappen kann, wodurch der Motor nicht mehr richtig läuft.

 

Und so kommt es auch, was bei mir einige Fluchwörter hervorbringt.

 

Wie kann Honda nur an einer Enduro Maschine, mit der man im Geländer herumfährt, eine solch schlechte Lösung mit dem Aktivkohlefilter einbauen.

 

Klar verlangt d.ie Euro Norm 5 diesen Aktivkohlefilter.

Wie andere Motorradmarken zeigen, kann dies aber so gelöst werden, dass diese Probleme wie bei meiner Maschine nicht auftreten.

 

Leider zwingt mich das Motorgestottere zu mehreren Wartestopps, bis sich das Benzin im Filter soweit verflüchtigt hat, dass die Elektronik den Motor normal laufen lässt.

 

Und dann leuchtet auch noch plötzlich das Motorwarnlicht auf, was grundsätzlich bedeutet, ich soll nicht mehr weiterfahren, bis klar ist, was das Aufleuchten verursacht.

 

Das mag zu Hause seine Richtigkeit haben, hier draussen allein auf 4'100 Meter ist das nicht umsetzbar.

 

Und so schottere ich weiter in der Hoffnung, dass das Aufleuchten eventuell etwas mit dem Überschwappenden Benzin in den Kohlefilter zu tun hat.

 

Als Entlastung drossle ich das Tempo, damit das Benzin im Tank weniger hin und her schwappt und nichts mehr in den Filter überläuft, wodurch der Motor normal läuft.

 

Leider verliere ich dadurch meinen Fokus auf die Landschaft, was schade ist.

 

Nach weiteren 20 km reibungsloser Fahrt gelange ich zu zwei Lagunen. Die Taccata und Chinacocha, die auf 4'420 Meter liegen.

 

Zur leuchtenden Motorwarnlampe gesellen sich dunkle Regenwolken, die durch den Wind von einer Richtung in die andere geblasen werden.

 

Als ich für ein Foto anhalte, schneit es sogar ein wenig.

 

Zum Glück zeigt sich in die Richtung, wo ich weiterfahre, erneut blauer Himmel.

 

Als ich erneut den Motor starte, verschwindet die leuchtende Motorwarnlampe wie üblich beim Startvorgang und zeigt sich nicht wieder. Uff, da habe ich scheinbar Glück gehabt und es hat wirklich etwas mit dem überschwappenden Benzin in den Filter zu tun gehabt.

 

Erleichtert schottere ich weiter. Jetzt wieder bergab.

 

Einige Kilometer und Höhenmeter tiefer gelange ich zur Teerstrasse nach Abancay, die einspurig verläuft.

 

Es rüttelt jetzt nicht mehr, viel schneller vorwärts komme ich jedoch nicht, weil auf dieser einspurigen Strasse schwere Lastwagen unterwegs sind, die in den Kurven, wenn sie mir entgegenkommen, brandgefährlich sind.

 

Das Strässchen bringt mich weiter nach unten bis auf 1'900 Meter. Nur damit ich nachher gleich wieder auf 2'500 Meter hochfahren darf bis nach Abancay.

 

Ziemlich erledigt steure ich meine Unterkunft an und lasse mich nach dem Einchecken mit dem Lift in den fünften Stock hinauf zu meinem Zimmer chauffieren.

 

Dann braue ich mir zuerst einmal einen Kaffee und lege mich aufs Bett, was dazu führt, dass ich bald im Land der Träume bin.


Heute steht ein besonderer Bergstrassenleckerbissen auf meinem Programm.

 

Die Tuneles de Carcatera.

 

Diese verläuft den Beschreibungen zu Folge entlang von Felswänden und steilen Abhängen. Doch dazu brauche ich gutes Wetter.

 

Ich schaue aus dem Fenster und sehe keine Regenwolken. Sieht besser aus als die Vorhersagen es prophezeiten.


Ich Frühstücke und frage nachher den Rezeptionist, ob er die Tuneles Strasse kennt.


Er nickt und meint, dass die Strasse nicht geteert sei. Ich erwidere, dass dies ok ist für mich, worauf er antwortet, dass die Aussicht fantastisch sei und die Fahrt dahin etwa eine Stunde dauert.

Ich frage weiter, wie es mit dem Wetter aussieht, worauf er lediglich antwortet, no problema.

Gut, Dann ziehe ich mich um und lege los.

Noch ein wenig Benzin nachfüllen, aber eben nicht zu viel, und schon bin ich auf der Rüttelpiste, die mich in die Höhe bringt.

Die Fernsicht wird besser und besser und bald präsentiert sich mir erneut die Andenwelt von ihrer schönsten Seite.

Nach 25 km wird die Piste enger und nach einer Kurve gelange ich zu dem besagten Abschnitt, wo die Piste ungesichert entlang von Felswänden verläuft. Dazwischen hat es wie der Name der Strasse besagt, einige Tunnels.

Unglaublich, wie die Piste durch die Felswand gehauen wurde und ungesichert entlang von hunderten von Metern tiefen Abhängen verläuft.

 

Die Tunnels sind auch nicht ohne, da sie kein Licht haben und der Boden mit Schlaglöchern übersäht ist.

 

Ich fahre die gesamte Strecke hindurch, bis sich die Piste wieder zu einer normalen Bergstrasse übergeht.

 

Ich könnte ihr weiter folgen und eine grosse Runde zurück nach Abancay drehen. Jedoch bin ich noch müde von der gestrigen langen Pistenfahrt und die dunklen Wolken zeigen ebenfalls nichts Gutes an.

 

Ich drehe deshalb um und lege unterwegs einiges Stopps ein und geniesse diese abenteuerliche Piste, von denen es nicht viele auf dieser Welt gibt.

 

Bei einem dieser Pausen höre ich Motorengeräusche aus dem Tunnel kommen und kurz darauf zeigen sich zwei Motorräder, die langsam aus dem dunklen Herausfahren.

 

Schnell ist klar, dass dies ebenfalls zwei Motorradreisende sind, die jetzt bei mir anhalten. Es ist Marijke aus Holland und Manel aus Spanien, die für einige Zeit zusammen durch Südamerika fahren.

 

Wir plaudern eine Weile bis Manel merkt, dass sie noch eine weite Strecke vor sich haben, weil sie die Runde fahren möchten.

 

Kurz darauf bin ich wieder allein und bestaune einmal mehr die fantastische Aussicht.

 

Wieder zurück im Hotel verbringe ich den Nachmittag mit Ausruhen und einem frühen Nachtessen.


Das Wetter bleibt weiterhin unsicher, weshalb ich mich entschliesse, die nächsten zwei Tag bis nach Ayacucho auf der Teerstrasse zu bleiben.

 

Es hätte dazwischen ein paar interessante Schotterabschnitte. Diese sind jedoch immer mindestens 80 km lang und führen bis auf 4'000 Meter hinauf. Zu lange und zu exponiert, sollte es Regnen oder sogar etwas schneien.

 

Die Berg- und Talfahrt geht an beiden Tagen weiter. Dabei regnet oder schneit es leicht, wenn ich auf über 4'000 Meter unterwegs bin. Zudem wird es kalt und ich muss mir meine Winterausrüstung auf diesen Abschnitten anziehen.

 

In den Dörfern ist am Sonntag einiges los. Entweder stehen viele Leute um einen Strassenstand herum und trinken Chicha Bier, dass wegen seiner Herstellung auch Spuckebier genannt wird, oder es gibt einen kleinen Festplatz, wo Musik aus übergrossen Boxen gespielt wird.

 

Vermutlich würde ich überall sofort zum Chicha Biertrinken eingeladen werden, würde ich anhalten. Nachdem ich aber gelesen habe, wie das Chicha Bier traditionell hergestellt wird, habe ich überhaupt kein Verlangen, dieses auszuprobieren. Der Übernahme Spuckebier der Anden kommt nicht von ungefähr.

 

Am ersten Tag übernachte ich abends in der Ortschaft Uripa, die an einem Berghang liegt. Aus irgendeinem Grund ist das Klima in diesem Gebiet kalt, weshalb ich schlotternd in die steile Strasse hinunter ins Dorf abbiege.

 

Wie üblich bei Dörfern und Städte sind die Strassen mit unzähligen Bremsschwellen ausgestattet, von denen ich auf dem steilen Abschnitt zwei relativ zügig überfahre.

 

Das reicht, dass erneut Benzin vom Tank in den Aktivkohlefilter schwappt und der Motor anfängt zu ruckeln. Einmal mehr fluche ich vor mich hin.

 

Der Hotel Mitarbeiter begrüsst mich und fragt gleich als Erstes, ob ich nicht kalt hätte auf dem Motorrad, was ich zähneklappernd bejahe.

 

Ich ziehe mich um und lege alle Jacken an, die ich dabeihabe. Dann spaziere ich ein wenig durch die kleine Ortschaft und esse gegrilltes Hühnchen mit den üblichen Beilagen in einem der wenigen Restaurants.

 

Wieder im Zimmer verkrieche ich mich gleich unter die drei Decken, die ich zur Verfügung habe und bleibe darunter, bis ich einschlafe.

 

Am Morgen fällt es mir schwer, aus dem warmen Bett zu kriechen, weshalb ich mich x-Mal drehe, bis ich endlich raushüpfe und mir sofort alles anziehe, was ich finde.

 

Das Frühstück wärmt mich etwas auf, was ich gleich nutze fürs Umziehen in meine Motorradbekleidung.

 

Etwas später lasse ich den Honda Motor aufbrummen und bin froh, dass sie wieder normal läuft.

 

Noch ein kurzer Benzinstopp beim Ortsausgang und nichts wie weg aus dieser kalten Gegend.

 

Keine halbe Stunde später halte ich 1'500 Höhenmeter tiefer bei warmen Temperaturen an und verstaue meine Unterziehjacke, mein dickes Bandana und die Unterziehhandschuhe.

 

Bis Ayacucho sind es 160 km, auf denen es weiterhin rauf und runter geht. Als ich erneut auf über 4'000 Meter bin, zieht sich die Strecke über mehrere Bergkäme hinweg, immer knapp an den dunklen Wolken vorbei.

 

In Ayacucho scheint hingegen erneut die Sonne und es ist relativ warm.

 

Meine Unterkunft finde ich im Verkehrsgetümmel auf Anhieb und kurz darauf schlendere ich durch den alten Stadtteil hinauf zum Plaza Mayor.

 

In der Vergangenheit war die Region Ayacucho die Hochburg der peruanischen Guerilla Organisation Sendero Luminoso, was sich negativ auf den Tourismus ausgewirkt hat.

 

Die Altstadt von Ayacucho hat deshalb nicht den Glanz, wie diejenige von Cusco. Dafür ist sie authentisch und widerspiegelt das normale Leben in einer peruanischen Andenstadt.

 

Mein Mittag- Nachtessen nehme ich auf einer Terrasse über dem hübschen Plaza Mayor ein und bestelle mir anschliessend einen leckeren Cappuccino in einem der wenigen auf Touristen ausgerichteten Cafés.

 

Danach streife ich durch die Altstadtgassen und muss schmunzeln, wenn ich die vielen kleinen Läden sehen, die Reifen, Kabel, Getränke, Gemüse und Früchte verkaufen und dazwischen Zahnarztpraxen sind, die auf Plakaten ihre Angebote präsentieren.

 



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